Grundeinkommen | Die Hälfte der Gemeinde muss mitmachen
Bereits erste Anmeldungen für das Grundeinkommen in Rheinau
Grosses Interesse am bedingungslosen Grundeinkommen: Die Mehrzweckhalle in Rheinau ist am Freitagabend bis auf den letzten Platz besetzt gewesen. Auf den Stühlen lag das Anmeldeformular für das Gesellschaftsexperiment. Die ersten Anmeldungen sind bereits da.
Eine der ersten, die sich angemeldet haben, ist Martina Kunz, eine junge Mutter von drei Kindern, die als Schneiderin selbständig ist. Sie weiss jetzt schon, was sie mit den 2500 Franken Grundeinkommen machen würde: "Ich würde das Geld nutzen, um die Kinder mehr in die Betreuung zu geben. Dann könnte ich mehr arbeiten."
Eine ältere Rheinauerin, die sich mit Agnes vorstellte, war anfangs gar nicht begeistert, als sie vom bedingungslosen Grundeinkommen hörte. "Geht es noch? So verrückt." Sie sei skeptisch, räumte sie ein. Doch wenn man es nicht probiere, wisse man nie, ob es funktioniere oder nicht. Deshalb mache sie mit.
Gemeindepräsident Andreas Jenni (SP) hofft, dass noch viele Rheinauerinnen und Rheinauer so denken wie die beiden Frauen, die sich bereits für eine Teilnahme entschieden haben. Der Gesamtgemeinderat möchte gerne am Experiment mitmachen. Mit der Informationsveranstaltung vom Freitag, an der rund 400 Interessierte teilnahmen, wurde der Anmeldeprozess eröffnet.
650 Anmeldungen nötig
Damit mit dem Experiment gestartet wird, muss etwa die Hälfte der Gemeinde mitmachen. Nötig sind also etwa 650 Anmeldungen, die Anmeldefrist beträgt zwei Wochen. Fehlen dann nur noch einige wenige Mitstreiter, wird die Frist aber noch etwas verlängert.
Ganz bedingungslos ist das Grundeinkommen allerdings nicht: Mitmachen kann nur, wenn in Rheinau wohnt, ein eigenes Konto hat und älter als 25 ist. Es ist zudem kein Zusatzeinkommen, denn wer mehr als 2500 Franken Einkommen hat, muss das Geld aus dem Projekt, das jeweils Anfang Monat aufs Konto kommt, zurückzahlen.
Das Projekt bringt somit nur jenen etwas, die ohnehin weniger als 2500 Franken pro Monat einnehmen, also etwa Alleinerziehende, Studenten oder Rentner, die nur von der AHV leben.
Doch auch Besserverdienende können mitmachen. Sie würden zwar nicht finanziell profitieren - aber von den Erfahrungen, die im Dorf gemacht würden, sind die Verantwortlichen überzeugt.
Drei bis fünf Millionen nötig
Doch auch wenn genügend Rheinauerinnen und Rheinauer mitmachen, ist das Projekt noch nicht gesichert. Es müssten dann noch drei bis fünf Millionen Franken zusammenkommen. Weil die Gemeinde dafür keine Steuergelder aufwenden will, müsste das Geld über eine Sammelaktion zusammenkommen.
Ein Wissenschaftsteam will das Projekt begleiten und die Veränderungen in der Gemeinde beobachten. Untersucht werden soll die Wirkung auf Familien, die Kaufkraft und das ganze Dorf.
Auf Bundesebene kam die Idee vor zwei Jahren schlecht an. Die Schweizer Stimmbevölkerung lehnte die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens wuchtig ab. Diese Abstimmung hatte die Filmemacherin Rebecca Panian aber dazu veranlasst, das Projekt zu starten.
Auf Rheinau kam Panian, weil sich die Gemeinde nach einem Aufruf selber dafür auf der Projektwebsite angemeldet hatte. Der Gemeinderat findet das Projekt gesellschaftspolitisch unterstützenswert, obwohl er durchaus auch kritisch ist.
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