Musik | Die Pop-Rock-Band Hecht spielt heute Abend im Perron 1 Club in Brig
«Das Leben muss gefährlich bleiben»
Brig-Glis | Die Luzerner Band Hecht wächst zurzeit über sich selber hinaus. Der Sänger der Band Stefan Buck spricht im Interview über surreale Bühnenmomente, Raubfische und die Kreativität von Bankern.
Stefan Buck, wie viele Bubenträume haben sich bei Ihnen in diesem Sommer erfüllt?
«Dieser Sommer war wie ein ganz grosser Bubentraum, der in Erfüllung gegangen ist. An solchen Festivals vor einem solchen Publikum zu spielen, ist wie ein Traum, der sich in Realität gewandelt hat. Dieser Sommer war einfach unglaublich. Und der Traum scheint jetzt noch weiterzugehen.»
Die Bühne ist fast zu eurem Zuhause geworden.
«Wir durften all die Festivals, die wir uns erträumt hatten, in einem einzigen Sommer spielen. Es war unglaublich zu sehen, wie uns die Leute getragen und gefeiert haben. Und das hat sich noch gesteigert. Am Schluss spielten wir in Gampel, und es war wie das grosse Finale.»
Wie beschreiben Sie das Gefühl, vor 20 000 Leuten zu stehen, wie etwa am Open Air Gampel, und plötzlich singen alle mit?
«Diese Momente fühlen sich an, als würde man fliegen. Man steht zwar mit dem Körper auf der Bühne, gleichzeitig kann man das kaum glauben. Das ‹Gampel›-Konzert konnten wir erst drei, vier Tage später völlig begreifen. Das Geschehene war sehr surreal und erst ein paar Tage später wandelt es sich in Realität um.»
Wie verarbeitet man die ganzen Eindrücke?
«Da hilft auch die Band. Wir können das miteinander teilen, reden darüber und geniessen die Euphorie zusammen. Das ist extrem viel wert. Wir machen schon sehr lange miteinander Musik und wir wissen, was wir bereits zusammen erlebt haben. Und deshalb ist uns auch bewusst, dass das, was jetzt passiert, der Lohn für alles Vergangene ist.»
Euer aktuelles Album «Oh Boy» klingt so, als hättet ihr die Euphorie der Bühne direkt mit ins Studio genommen.
«Das war unser Ziel. Die Gefühle, die wir live spüren, wollten wir auf Band bringen. Es braucht dafür fünf Leute, die zusammen an einem Strick ziehen. Das ist uns gut gelungen, wir sind zufrieden mit dem Resultat. Die Energie, die von den Leuten zurückkommt, zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.»
Nicht nur die Leute an den Konzerten haben eine Menge Energie, es ist vor allem die Energie, die ihr auf der Bühne versprüht. Woher holt ihr diese Power?
«Das Ganze ist ein Wechselspiel. Sehr viel kommt von den Zuschauern wieder zurück. Aber wir haben zu fünft einfach eine super Zeit zusammen. Wir gehen auf die Bühne und es passiert einfach. Wir können es selber fast nicht in Worte fassen. Es gibt eine Ebene, auf der wir uns finden und gemeinsam unsere Energie loslassen können. Es ist wie Magie und wir hoffen einfach, dass es so bleibt.»
Ist der Name Hecht für euer Publikum bereits eine Warnung? Hechte sind ja Raubfische.
«Wir sind sicher sehr risikofreudi-
ge Leute. Das haben wir mit dem Hecht gemeinsam. Live probieren wir viele Dinge aus und es wird
uns dadurch nie langweilig. Die Zeit auf der Bühne und auch das Leben muss immer ein bisschen gefährlich bleiben. Diese Gene des Hechts tragen wir in uns.»
Trotz der vielen Energie gibt es auf dem Album auch ein paar ruhigere Songs.
«Uns ist es auch ein Bedürfnis, dass wir Songs schreiben, die uns selber gefallen, und dass wir uns wohlfühlen. Deshalb hat es auch Songs mit einer nachdenklicheren Note. An Open Airs ist es zwar schwierig, diese Songs dann auch zu bringen. In den Clubs können wir unser ganzes Spektrum zeigen. Die Band soll sich auch entwickeln dürfen.»
«In fast allen Jobs ist Kreativität möglich. Egal, ob man als Banker, in einem Kinderhort oder
in einem Ingenieurbüro arbeitet»
Ernstere Zeilen finden sich etwa im Song «Oh Boy». Da singen Sie, dass man in den Himmel nur mit einem gebrochenen Herzen kommt. Gehört das Leid zur Liebe dazu?
«Wenn man jemanden liebt, macht es sehr weh zu sehen, wenn sich dieses Gefühl ändert. Wir wollen zeigen, dass man alles riskieren und sein Herz in fremde Hände geben muss, damit man das Gefühl von Liebe überhaupt vollkommen erfahren kann. In vielen Fällen endet es ja auch gut. Wer es aber nie riskiert, wird es nie erfahren.»
Viele Songs klingen nach Fernweh und nach Sommer. Funktioniert die Musik von Hecht auch im Winter?
«Ich hoffe schon. Jetzt wird es vielleicht Zeit für die wärmeren und ruhigeren Nummern, die für diese Jahreszeit gemacht sind. Unsere Musik ist sehr direkt und spricht zum Hörer in seiner Muttersprache.»
Vollzeit-Job, Familie und ausverkaufte Tour. Wie lange macht ihr so weiter?
«Langsam wird es schon definitiv zu streng und hat Ausmasse angenommen, dass wir die Zukunft vielleicht anders planen müssen. Die Belastung ist sehr hoch. Es ist aber nicht so, dass die Band uns bereits seit Jahren ernährt. Das ist ein neues Phänomen. Wir geniessen es aber, dass wir nicht die Musik machen müssen, die am profitabelsten ist, sondern die Musik, die uns am meisten Spass macht. Das ist eine schöne Freiheit.»
Sie sind Musiker und Banker – was ist kreativer?
«Musik zu machen ist sicher etwas sehr Kreatives. Aber ich glaube, wir haben ein Klischee von Kreativität. In fast allen Jobs ist Kreativität möglich. Egal, ob man als Banker, in einem Kinderhort oder in einem Ingenieurbüro arbeitet. Ich finde es schade, dass die Künstler die Kreativität für sich pachten. Die Vorstellung, dass es kreative Jobs gibt und der Rest Tubeli-Jobs sind, finde ich falsch.»
Wie kann man nach einem Konzert vor 20 000 Leuten am Sonntagabend abschalten und am Montagmorgen ins Büro fahren?
«Das ist nicht immer ganz einfach. Macht man solche eindrücklichen Erfahrungen, kann man schlichtweg nicht so schnell runterfahren. Auf der anderen Seite erdet uns der Alltag im Job auch sehr. Macht man Musik, schwebt man, ob man es will oder nicht, auf einer Wolke. Am Montagmorgen im Büro herrscht eine andere Realität. Da bin ich nicht der Sänger von Hecht, sondern Stefan. Dieser Ausgleich ist wichtig.»
Musik in Mundart ist zurzeit sehr erfolgreich. Mit welchem Schweizer Mundart-Helden möchten Sie in einem Zuge
genannt werden?
«Alle Bandmitglieder sind riesige Fans von Züri West. Das ist der grosse gemeinsame Nenner. Es gibt aber sehr viel gute Mundart-Musik. Im Hip-Hop geht die Post in der Schweiz aber am meisten ab. Es gibt viele sehr coole Sachen. Wenn ich eine Band nennen muss, ist es aber Züri West.»
Heute Abend startet die ausverkaufte Hecht-Tour im Perron 1 in Brig. Im nächsten Jahr wollt ihr das Hallenstadion füllen. Wovor habt ihr mehr Angst?
«Wir haben noch nie eine Club-Show im Wallis gespielt und das freut uns natürlich sehr. Gleichzeitig erinnern wir uns an ‹Gampel› und deshalb sind die Erwartungen sicher sehr hoch. Zudem ist es der Anfang unserer Club-Tour, da sind wir zwangsläufig ein bisschen nervös und fragen uns, ob unsere Pläne auch aufgehen. Vor dem Konzert im Hallenstadion haben wir im Moment sicher noch einen sehr grossen Respekt.»
Interview: Mathias Gottet
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