Ylena In-Albon | Das Tennistalent aus Baltschieder ist aktuell die Nummer 8 der Schweiz und 183 der Welt. Längst spielt auch das Geld eine wichtige Rolle
Eine ganz kleine Ich-AG
Ein Trainer und die Eltern, das ist die Mini-Entourage von Ylena In-Albon (20). Professionell ist das nicht, aber was nicht ist, wird noch werden. Logisch, dass auch das Geld zentraler wird.
Kein Morgen und kein Abend – egal wo Ylena In-Albon gerade steckt –, ohne dass sie sich via WhatsApp im Familienchat mit einem «Güöte Morgu, wie geits?» oder «Güöt Nacht» meldet. Es ist die eine kleine Episode über In-Albon. Und die andere, dass sie keine Player Partys mag. Ein Schickimicki-Event eines jeden Turniers, wo sich das Teilnehmerfeld trifft. «Das ist nicht so ihre Welt, sie fühlt sich da nicht besonders wohl, stünde lieber auf dem Tennisplatz», sagt Philipp In-Albon (57), Vater und ehemaliger Fussballtrainer von 3.-Liga-Klub SC Lalden.
Er und seine Frau Carmen (53) geniessen einige Ferientage im Sottoceneri, sind mit Stolz dabei, wenn ihre Tochter beim WTA-Turnier von Lugano auftritt. Mittendrin von neuen und gestandenen Profis, in einem Tableau, das von Belinda Bencic angeführt wurde. Der überschaubare Rahmen auf der Anlage des TC Lido Lugano lässt etwas erahnen vom Hauch der ganz grossen, illustren, millionenschweren Tenniswelt. Dass sie hier und nicht vielleicht auf einem Fussballplatz oder einer Skipiste gelandet sind, ist das Besondere einer einfachen Familie, die gar nie etwas mit Tennis, vergiss mit Reichtum am Hut hatte.
In ganz jungen Jahren war Fussball für die bewegliche, ehrgeizige und aus eigenem Antrieb sehr trainingsfleissige Ylena In-Albon nicht mehr erfüllend genug, viel zu lange die Winterpausen ohne ein einziges Training. Dann kam der erste Versuch mit Tennisspielen, wo sie sich heute – über ein Jahrzehnt später – dem Ende eines Tunnels nähert, das ihr den Zugang zu einer Profi-Tennisspielerin ermöglichen wird. «Es ging immer ein bisschen vorwärts, hier ein Fortschritt, da ein Fortschritt und wir haben uns gefreut, wenn sie einen Erfolg feiern durfte. Aber noch schöner ist, dass sie stets sich selbst und damit immer sehr bodenständig blieb», zeigt sich Mutter Carmen zufrieden.
«Vollstes Vertrauen in Trainer»
In Visp schliff Trainer Jean-Yves Blondel an der Spielerin, seit über fünf Jahren nun der gebürtige Uruguayer und im Tessin lebende Gonzalo Vitale. Er führt zusätzlich noch eine eigene, kleine Tennisschule. In-Albons Fortschritte sind unter Vitale auch in Zahlen messbar, Ende 2015 war sie die Nummer 1199 der Weltrangliste, Ende 2016 die 667, Ende 2017 die 683, Ende 2018 die 235 und jetzt – diese Woche – die Nummer 183.
Vitale geniesst alle Freiheiten. «Er geniesst das Vertrauen von uns und Ylena zu 100 Prozent. Klar haben wir uns bei der einen oder anderen Entscheidung auch gedacht, ob das für ein so junges Mädchen wirklich sein muss, ob das Sinn macht. Aber wir hielten und halten uns zurück», so Philipp In-Albon. Er denkt an fünf Trainingslager seiner Tochter im fernen Argentinien zurück, die dank Blondel bis 2015 möglich waren. «Ob Blondel oder Vitale, sie waren Ylena stets gutgesinnt, wollten das Beste für sie, bis heute ist glücklicherweise alles aufgegangen», ergänzt Carmen In-Albon.
«Um Ylena weiter unterstützen zu können, bin ich wieder berufstätig geworden. Sonst hätten wir dieses Paket in der Form wohl nicht stemmen können»
Carmen In-Albon, Mutter
Mit Vitales Basis im Tessin hat Ylena In-Albon auch ein jahrelanges, zeitaufwendiges Pendeln hinter sich. Schule in Brig, Tennis im Tessin. In zwei Monaten steht im Kollegium die Matura an. «Im Nachhinein wäre es vielleicht besser gewesen, sie hätte die Sportschule in Tenero besucht. Aber das war nicht vorhersehbar und wir konnten nicht einfach, wie es Eltern von anderen Talenten tun, kurzerhand den Wohnort wechseln», sagt die Mutter. Sie arbeitet bei «Hotelplan» in Brig, er bei «EnAlpin» in Visp und der Sohn studiert jetzt Sozialwissenschaften in Bern.
Carmen In-Albon gab ihre Rolle als Hausfrau auf, als der finanzielle Kraftakt für die Tochter immer grösser wurde. Die In-Albons mussten ihr Leben neu ordnen, sie würden es noch einmal so tun. «Stand heute, ja. Ihre Leidenschaft für das Tennis war dermassen gross, dass für uns klar war, sie weiter zu unterstützen. Natürlich haben wir die finanzielle Belastung gespürt, aber ich habe auch meiner Frau gesagt, wir können bei Ylena nicht A, aber dann nicht B sagen», erklärt Philipp In-Albon. Sie hätten auch gegenüber dem Trainer von Beginn an mit offenen Karten gespielt, ein gewisser Betrag sei möglich, mehr aber nicht. «Wir sind sehr dankbar, dass er unsere nicht riesigen Möglichkeiten so akzeptiert und daraus das Beste gemacht hat.»
Replik des Trainers? «Die Zusammenarbeit mit Ylenas Eltern ist wunderbar. Sie supporten ihre Tochter, sind wohltuend zurückhaltend. Für mich als Trainer ein Idealfall.»
«Bald einmal jährliche Kosten von bis zu 150 000 Franken»
Die Zeit aber ist nicht stehen geblieben, die Zahlen auch nicht. Vorbei die Zeiten, in denen die heute 20-Jährige ein paar Tausend Franken kostete. Vitale ist auf dem Papier zwar nicht der Exklusiv-Manager und -Trainer der Spielerin, aber schätzungsweise 4000 Franken monatlich wird er dennoch kosten, Spesen exklusive. Ein Vollzeitmandat ist locker doppelt so teuer.
Behält Ylena In-Albon ihren nun eingeschlagenen Rhythmus während des ganzen Jahres, «dann sprechen wir bald einmal von bis zu 150 000 Franken Kosten», sagt Alessandro Greco, Leiter Spitzensport bei «Swiss Tennis». Im Gegenzug spricht er gegenüber dem WB «von wirklich approximativ 100 000 Franken pro Jahr, die Swiss Tennis, Swiss Olympic via Sporthilfe und Fromm (der Unternehmer Reinhard Fromm fördert eine ganze Reihe von Schweizer Talenten, die Red.) künftig für In-Albon einsetzen». Er meint damit den aufgestockten Support für die Spielerin (siehe Beitrag links).
«Erreicht heute ein Spieler bei jedem der vier Grand-Slam-Turniere das Hauptfeld, hat er fast 200 000 Franken an Preisgeldern auf sicher»
Alessandro Greco
Ohne Zweifel gibt das Sicherheit und warum der Funktionär besonders die vier Grand-Slam-Turniere in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York in den Fokus rückt, ist anhand der Preisgelder nachvollziehbar. «Erreicht heute ein Spieler bei jedem der vier Grand-Slam-Turniere das Hauptfeld, hat er fast 200 000 Franken an Preisgeldern auf sicher», erläutert Greco. In Wimbledon erhielt 2018 ein Verlierer der Startrunde 44 624 Euro, brutto.
In Jacob Kahoun eine Viertelmillion Franken investiert
Von Startgagen ist In-Albon weit entfernt, das bleibt den ganz Grossen vorbehalten. Preisgelder, Sponsoren und vor allem der jährliche Interclub mit Zofingen im Mai (Nationalliga B), Nyon im August (NLA) und Brescia im September (Serie A Italiens) sind sehr erträglich und damit für In-Albon ein Muss. Kein Wunder bei einer ungefähren Gage von 1000 Franken je Runde (Antritt inkl. Sieg). Dennoch: Für die 20-jährige Sandplatz-Spezialistin, die mehr und mehr auch auf Hartbelag besser wird, ist der Weg lang und steinig, aber es ist ihr Ziel, einst vom Tennis leben zu können. «Das ist mein Traum, und meine Dankbarkeit gegenüber meinen Eltern, dass sie das alles für mich gemacht haben, kann ich nicht genug wiederholen», sagt sie.
Apropos Eltern: Der heutige 27-jährige Visper Jacob Kahoun setzte früher auch voll auf Tennis, erreichte als beste Rangierung Platz 1024 in der Weltrangliste, einen Durchbruch schaffte er aber nie. Er selbst rechnete 2015 dem WB vor, seine Eltern hätten rund eine Viertelmillion Franken in ihn investiert.
Mehr Professionalität
Von einer Entourage à la Federer und Co. ist In-Albon Lichtjahre entfernt, aber sie wird sich die strukturelle Frage bald einmal stellen müssen. Im Sponsoring fehlte der Familie das Netzwerk. «Das war über Jahre ein harter Kampf, um immerhin zwei, drei kleine Sponsoren zu finden. Schade, dass zum Beispiel touristische Organisationen aus dem Wallis nicht eine Spielerin unterstützen, die eigentlich auf der ganzen Welt spielt», bedauert Philipp In-Albon.
Der gesamte, wichtige Bereich «Social Media» läuft noch über die Eltern und damit amateurhaft, den Grossteil der Medienanfragen managt mittlerweile Trainer Gonzalo Vitale, der für seine Spielerin auch das Medizinische organisieren muss. Ewig kann das nicht gehen, wenn ihre Entwicklung positiv bleibend ist. Dann wird eine (kleine) Ich-AG vonnöten sein, so, wie sie heute unzählige Einzel- und Teamsportler schon betreiben. «Heute kann davon keine Rede sein, aber vielleicht schon in naher Zukunft werden sich diese Fragen nach ein bisschen mehr Professionalität schon stellen. Immer mit dem Ziel, dass sich Ylena voll und ganz auf das Tennis konzentrieren und hoffentlich erfolgreich sein kann», sagt auch Mutter Carmen.
An Zahlen denkt die zielstrebige Ylena In-Albon nicht, das regeln (noch) ihre Eltern. Sie will gut spielen, nach vorne stossen und endgültig in die grosse Tenniswelt eintreten.
Alan Daniele
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