«Matterhorn: No Ladies please!» | Tina Maria Müller mit grosser Spielfreude bei den Proben
Ein Mädchen verfolgt unbeirrt seinen Weg

Natürlich. Die 16-jährige Tina Maria Müller spielt in den Freilichtspielen Zermatt 2019 «Matterhorn: No Ladies please!» eine der weiblichen Hauptrollen.
Foto: WB / Andrea Soltermann
ZERMATT | Der Riffelberg wird diesen Sommer wieder zum Theaterplatz. Mit dabei ist die junge Zermatterin Tina Maria Müller in einer weiblichen Hauptrolle. Eine Figur, die viel mit ihr persönlich zu tun hat. Beide wissen, was sie wollen.
Die Proben zu den Freilichtspielen Zermatt 2019 «Matterhorn: No Ladies please!» sind weit fortgeschritten. Erste Gesamtdurchläufe mit der ganzen Theaterequipe standen letzte Woche an. Mitten unter ihnen ein 16-jähriges Mädchen aus Zermatt: Tina Maria Müller. Sie spielt eine der weiblichen Hauptrollen. Das macht sie so gut, dass man beim Zuschauen fast vergisst, dass hier Theater gespielt wird. Echt und natürlich verkörpert sie ihre Rolle.
Trotz ihrer jungen Jahre ist sie schon so etwas wie ein Freilichtspiel-Routinier. Bereits zum dritten Mal steht sie den Sommer über auf der Riffelberg-Bühne. 2015 spielte sie bei «The Matterhorn Story» ein Bauernmädchen. Als junge Julia agierte sie 2017, als «Romeo und Julia am Gornergrat» gegeben wurde. Dieses Jahr wird sie als Hotelierstochter Lina in «Matterhorn: No Ladies please!» zu sehen sein.
Rolle auf den Leib geschrieben
Die Rolle wurde ihr von der Regisseurin Livia Anne Richard praktisch auf den Leib geschrieben. «Tina ist ein Jahrhunderttalent. Das habe ich schon bei ihren ersten Auftritten gemerkt. Was sich andere in einer vierjährigen Ausbildung anzueignen versuchen, bringt sie einfach mit», lobt die Regisseurin. Sie habe ihre Natürlichkeit auch in der Pubertät nicht verloren. In der Zeit begännen manche sich von aussen zu kontrollieren. «Tina ist mit Spielintelligenz und Instinkt für die Bühne gesegnet. Ihr Tiefgang transportiert Gefühle. Der Funke springt sofort auf das Publikum über.»
Auf das Theater aufmerksam wurde Tina Müller durch ihren Onkel Heinz Julen. «Er hat meine Schwestern und mich dazu ermutigt, für die Freilichtspiele vorzusprechen.» Ihre Schwester Romaine Müller spielte vor zwei Jahren die Hauptrolle in «Romeo und Julia am Gornergrat». Gerne wäre sie auch dieses Jahr wieder dabei gewesen. Doch ihr Engagement mit der Band «Wintershome» liess das aus Zeitgründen nicht zu.
Ziel hartnäckig verfolgen
«Die Rolle der Lina hat viel mit mir gemeinsam» sagt Tina. Lina ist ein Mädchen, das einen starken Willen hat und seine Ziele konsequent verfolgt. Wegen eines Unfalls hat Lina ein verkrüppeltes Bein. Ihr Vater, Hotelier Seiler, glaubt, dass ein hinkendes Mädchen bei den Gästen nicht gut ankommt. Deshalb verbannt er sie in die Küche zum Kartoffelschälen und verhindert so den Kontakt mit Gästen. Aber genau das möchte die klein gehaltene Lina. Sie ist fasziniert von den englischen Gästen und ihrer Sprache. So sehr, dass sie ein Englisch-Deutsch-Wörterbuch aus dem Zimmer von Lucy Walker, einer bergerfahrenen britischen Adligen mitnimmt, um diese Sprache zu erlernen.
Ihr Vater bemerkt das und zwingt das junge Mädchen, sich bei Lucy Walker zu entschuldigen und ihr das Wörterbuch zurückzugeben. Lucy Walker reagiert verständnisvoll und will ihr das Wörterbuch schenken. Sie erkennt bei Lina den Willen, sich weiterzuentwickeln und will sie darin unterstützen. «Ich werde zu Hause nicht zum Kartoffelschälen eingesperrt», sagt Tina und lacht. «Aber die Faszination, mit Gästen in Kontakt zu treten, kenne ich sehr gut, weil ich selber aus einer Hoteliersfamilie stamme. Und ich verstehe, dass Lina dafür kämpft.»
Ineinander spiegelnde Frauenfiguren
Livia Anne Richard erklärt, worum es in der Rolle geht: «Lucy Walker ist die Erstbesteigerin des Matterhorns. Um ihr Ziel zu erreichen, musste sie sich gegen viele Widerstände durchsetzen. Sie ist Gefangene des englischen Adels mit seinen rigorosen Konventionen. Ihre Geschichte ist eine Geschichte des Ausbruchs.» Lina kämpft ebenfalls, um ihren Traum zu verwirklichen.
Beide Frauenfiguren spiegeln sich ineinander. Dieselben Themen verbinden sie. In einem Dialog sagt Lina zu Lucy, sie verstehe Gott nicht. Wenn in Zermatt ein Mann sterbe, läute die Kirchenglocke drei Mal; bei einer Frau hingegen nur zwei Mal. Lucy antwortet ihr darauf: «Es ist ja nicht Gott, der die Kirchenglocken läutet, sonst würden sie für alle gleich viele Male läuten.»
Wenn Tina Müller von der Theaterfigur Lina erzählt, verwendet sie oft die Formulierung «ich», dermassen hat sie die Rolle verinnerlicht. Lampenfieber kenne sie keines. «Wenn ich die Bühne betrete, bin ich Lina, und die hat kein Lampenfieber.» Sie sei viel aufgeregter, wenn sie vor der Schulklasse eine Präsentation machen müsse, als vor einem Theaterauftritt.
Am 1. Juni 2019 beginnen die Proben auf Riffelalp. «Darauf freue ich mich besonders. Wenn ich in die Gornergrat Bahn einsteige, bleiben alle Gedanken rund um Schule und Hausaufgaben in Zermatt. Oben angekommen, habe ich nur noch das Theater im Kopf», erzählt Tina.
Theatervirus im Blut
Tina besucht das dritte Jahr die Orientierungsschule in Zermatt. Schule und Theater zu kombinieren, klappe ganz gut. «Bis jetzt brachte ich alles unter einen Hut: Schule, Theater, Klavierspielen und auch noch den Sport.» Viel Zeit müsse sie nicht in das Auswendiglernen der Texte investieren. «Ich schaue die Texte von den Proben an und kann mir die Sätze schnell merken. Es scheint mir klar, was zu sagen ist.»
Das bestätigt die Regisseurin Livia Anne Richard: «Sie lernt die Texte mit einer erstaunlichen Leichtigkeit. Ich denke, sie hat ein gutes Gespür für Sprachrhythmus.»
Beruflich auf das Schauspiel setzen möchte Tina Maria Müller dennoch nicht. «Ich will Physiotherapeutin werden. Zusammen mit Menschen auf ein Ziel hin arbeiten gefällt mir.» Das Schauspiel solle aber immer einen Platz in ihrem Leben behalten. Sie ist zu sehr vom Theatervirus infiziert, als dass sie sich ein Leben ganz ohne Theater vorstellen könnte.
Nathalie Benelli
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