Tourismus | Der kleine Skilift «Wilern» in Binn kämpft seit Jahren erfolgreich ums Überleben
Wenn ein ganzes Dorf hinter seinem Skilift steht
Binn | Seit über 40 Jahren steht im Weiler «Wilere» ein kleiner Skilift. Viel Herzblut und noch mehr Fronarbeit ist nötig, um die Anlage zu betreiben. Reich wird damit niemand. Aber die Binner wissen, was sie an ihrem Bügellift haben.
Das touristische Wallis ist ein Land purster Gegensätze. Auf der einen Seite steht Zermatt. Die Weltdestination eröffnete im letzten Herbst für rund 50 Millionen Franken die höchste 3S-Bahn der Welt. Im Kanton existieren aber auch zahlreiche Anlagen, deren Kassen bei Weitem nicht so prall gefüllt sind wie jene im Matterhorndorf. Eine davon ist der Skilift «Wilern» im Binntal. Die Unterschiede gehen jedoch weit über das Finanzielle hinaus.
26 Bügel für 350 Meter
«Einer meiner Söhne sollte in der Schule eine Zeichnung vom Ort seiner Träume machen. Er malte sich selbst an unserem Skilift. Da geht einem das Herz auf.» Das sagt Daniel Kronig. Solange die Kinder Freude am Skilift hätten, sei dies für alle Motivation genug. Vor sechs Jahren trat der gebürtige Visper mit Zermatter Wurzeln in den Vorstand der Skiliftgenossenschaft Wilern ein. Seit zwei Jahren ist er deren Präsident.
Der Skilift Wilern liegt an einem Nordhang direkt hinter der Pfarrkirche, eingebettet in eine idyllische Landschaft mit uralten Stadeln. Knapp 350 Meter lang ist die Anlage. 26 Bügel hängen an ihren Seilen. Die Höhendifferenz beträgt gerade mal 100 Meter. Seit über 40 Jahren hält die Genossenschaft die Anlage über Wasser. Wie ihr das gelingt? Mit vie Herzblut und noch mehr Knochenarbeit.
Saisonbetrieb kostet 25 000 Franken
Kronig steht vor der 1977 eröffneten Anlage. Stolz erklärt er: «Dieser Skilift überlebt nur dank der grossen Unterstützung der Bevölkerung und der geleisteten Fronarbeit.» 25 000 Franken kostet eine Wintersaison im Durchschnitt. Allein durch den Verkauf von Saisonabos und Tageskarten kann die Genossenschaft den Betrieb nicht finanzieren. «Der Erlös aus den Saisonabos beträgt im Schnitt 2500 Franken und jener aus den Tageskarten 1500 Franken», zeigt Kronig auf. Gefragt sind also andere Finanzierungsquellen. Dazu zählen etwa die Anteilsscheine à je 100 Franken für Mitglieder der Genossenschaft. Oder Gönnerbeiträge und Spenden aus Dorffesten. Wenn es um das Überleben ihres Skilifts geht, denken sich die Binner aber auch aussergewöhnliche Methoden aus. Seit der Wintersaison 2016/17 können Interessierte für 100 Franken ihren Namen in einen der Bügel eingravieren lassen.
«Es gibt Jahre, da legen wir Geld auf die Seite», so Kronig. «Aber es gibt auch Zeiten, in denen wir Minus machen.» Gerade Jahre, in denen Sanierungsarbeiten fällig sind, machen sich in der Kasse bemerkbar.
Unbezahlbares Fachwissen vor Ort
Die finanzielle Unterstützung ist das eine. Die Fronarbeit, die zahlreiche Dorfbewohner leisten, das andere. Man habe das Glück, so Genossenschaftspräsident Kronig, dass es im Dorf genügend Personen mit dem nötigen Fachwissen für den Unterhalt derartiger Infrastrukturen gebe. «Wir können auf Leute zählen, die handwerklich anpacken können.» Und dies gratis notabene. «Der Skilift existiert, weil ihn das Dorf haben will», bringt es Kronig auf den Punkt.
An diesem Freitag Ende Februar herrscht reger Betrieb am Skilift Wilern. Es sind Schulferien. Die Anlage ist deshalb täglich jeweils am Nachmittag in Betrieb. An «normalen» Wochen ist dies lediglich am Mittwoch-, Samstag- und Sonntagnachmittag der Fall. «Für unsere Bevölkerung liegt der Skilift quasi vor der Haustür», sagt Kronig während der kurzen Fahrt am Bügel. «Die Kinder haben hier ihre Freiheit.» Rund 30 Kinder und Erwachsene sausen derweil den flachen Hang hinunter. «Hauptsächlich sind es Einheimische», erklärt Kronig. Und fügt mit einem Augenzwinkern an: «Was auswärtige Gäste betrifft, haben wir noch Luft nach oben.»
Selbst der Pfarrer gönnt sich eine Fahrt
Der Augenschein vor Ort zeigt, der Skilift ist für so manchen Binner ein Ort der Begegnung. So auch für Ugonna Vitus Nwosu. Der nigerianische Aushilfspfarrer von Binn, Lax und Ernen steht in dieser Saison zum vierten Mal auf den Ski. «Hier habe ich das Skifahren gelernt.» Die Anlage biete eine schöne Gelegenheit, um gemeinsam mit Kindern und Erwachsenen aus der Region Zeit zu verbringen. «Für die Gemeinschaft ist dieser Skilift sehr wichtig.»
Ehemaliger Skilift aus Grächen
In Binn hat das Skifahren Tradition. Bereits 1958 erstellte der Skiklub in Wilere eine erste Anlage. Zwei Umlenkrollen mit zwei Bügeln à je vier Personen reichten damals aus. «Dieser einfache Schlepplift kostete 12 000 Franken», blickt Kronig zurück. «Zwölf Personen aus dem Dorf steuerten jeweils 1000 Franken bei.» Knapp 20 Jahre war der Schlepplift in Betrieb. Bis zum Jahre 1977, als die Skiliftgenossenschaft gegründet wurde. Ihre erste Aktion war der Kauf einer neuen Anlage. Dank grosszügiger Unterstützung der Burgergemeinde konnte die Genossenschaft in Grächen den damaligen Skilift «Matterhornblick» erwerben. Kronig: «Mit dem Camion haben die Binner diesen Lift persönlich abgeholt und in zahlreichen Stunden Fronarbeit aufgestellt.» Heute, über 40 Jahre danach, drehen die 26 Bügel immer noch ihre Runden. Und solange sich genügend engagierte Helfer finden lassen, wird der Skilift Wilern auch weiterhin einen echten Ort der Begegnung darstellen. «Es wäre schön, wenn auch meine Enkel eines Tages hier noch Ski fahren könnten», so Kronig.
Matthias Summermatter
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