Zermatt Unplugged | Rolf Furrer im Gespräch über Neuigkeiten und Bewährtes
«Mehr als ein Après-Ski-Event»

Innovativ. Geschäftsführer Rolf Furrer wartet stets mit Weiterentwicklungen des Festivals auf.
Foto: WB / Andrea Soltermann
ZERMATT | Gestern Dienstag, 9. April 2019, startete die zwölfte Ausgabe des Festivals Zermatt Unplugged. Rolf Furrer, Geschäftsführer, gibt Auskunft, was es bis am Sonntag zu erleben gibt und warum er die Künstlerinnen und Künstler lieber nach den Auftritten auf der Piste sieht.
Rolf Furrer, wenn man das Zermatt Unplugged Festival in den letzten Jahren mitverfolgt hat, stellt man eine Konstante fest: die Weiterentwicklung. Welches sind in diesem Jahr die wichtigsten Akzente in diese Richtung?
«Wir haben dieses Jahr zwei grosse Weiterentwicklungen. Zum einen ist das der Blues Club mit Philipp Fankhausers Midnight Blues vom Donnerstag bis Samstag in der Alex Lounge. Der bekannte Blueser ist offen für eine Midnight-Blues-Jamsession. Das wird sicher ganz speziell. Zum anderen haben wir im Mont Cervin Palace einen Pop-up-Jazz-Club gebaut. Es handelt sich dabei fast um eine Kopie des legendären Ronnie Scott’s Jazz Clubs in London. Der Club feiert sein 60-Jahr-Jubiläum. Im Jazzklub kann man zu einem 3-Gang-Dinner in gediegener Atmosphäre der berühmten Hausband lauschen. Zudem werden hier illustre Überraschungsgäste auftreten.»
Wie sieht es aus mit den Ticketverkäufen für diese Ausgabe? Gibt es noch Tickets im Abendverkauf?
«Es gibt für alle Tage noch Tickets – allerdings nur für einzelne Konzerte. Für die Konzerte im Zelt hat es noch ein paar wenige Tickets für Francis Cabrel und Boy George & Culture Club. Das Wochenende ist ziemlich ausgebucht, aber hier gibt es noch Plätze für die Nebenbühnen.»
Es gelang Ihnen auch dieses Jahr, wieder ein hochkarätiges Line-up zu präsentieren. Wird es mit der wachsenden Bekanntheit des Festivals einfacher, bekannte Künstlerinnen und Künstler zu engagieren?
«Die ersten Hürden haben wir genommen; das Festival hat sich in der Musikbranche einen Namen gemacht. Künstler und Agenten kennen das Festival und empfehlen es weiter. Dennoch wird es nicht einfacher. Die Konkurrenz wächst. Es gibt immer mehr Fes-tivals und Events mit grossem Budget. Uns helfen die weitum bekannte Qualität des Festivals und natürlich der wunderschöne Ort Zermatt. Die Künstler fühlen sich hier wohl und das ist ganz wichtig.»
Künstler müssen ihr Konzertprogramm den Unplug-ged-Gedanken des Festivals anpassen. Durchaus ein Mehraufwand. Wie schaffen Sie es, die Künstler dazu zu motivieren?
«Da leisten wir viel Erklärungsarbeit. Es geht aber auch um Vertrauen. Die Bands finden vor Ort perfekte Produktionsbedingungen und ein Publikum, das die Unplugged-Konzerte schätzt. Natürlich gibt es Künstler wie zum Beispiel Passenger, die sind sozusagen ‹unplugged by nature›. Die können sich mit einer Gitarre auf die Bühne stellen und loslegen. Aber für Bands wie Boy Georg & Culture Club sind elektronische Elemente Teil des prägenden Sounds. Für sie braucht es einen grossen Mehraufwand, um ein Unplugged-Konzert zu geben. Im Vorfeld waren viele Gespräche notwendig. Bei akustischen Konzerten kann man sich nicht so leicht hinter einer «Wall of Sound» verstecken. Da hört man einfach alles. Das ist durchaus eine Herausforderung.»
Was sollte man auf keinen Fall verpassen?
«Der Ronnie Scott’s Jazz Club mit seinem ganz speziellen Ambiente wird sicher ein besonderes Erlebnis sein. Verpassen sollte man aber auch nicht die vielen New Talents. Sie sind identitätsstiftend für das Festival. Da gibt es sehr gute Musikerinnen und Musiker zu entdecken. Darunter sind übrigens mit Tanya Barany und JulDem auch Walliser.»
Können Sie uns noch einen Geheimtipp verraten?
«Das Konzert von Boy George & Culture Club hat das Potenzial legendär zu werden. So wie damals Simple Minds. Sie gingen nach dem Zermatt Unplugged mit der Akustik-Show auf Welttournee. Für Boy George wird es ein Experiment. Ich denke, das wird ein ganz toller Abend. Mein Tipp: Lassen Sie sich einfach treiben, gehen Sie von Ort zu Ort, nehmen Sie sich Zeit für gute Musik und zwischendurch auch fürs Essen, Trinken und Geniessen.»
Zermatt Unplugged hat sich zum gesellschaftlichen Ereignis entwickelt. Für viele ist es zum Fixpunkt in der Agenda geworden. Wie viel Wachstum kann das Festival noch verkraften?
«Schön zu hören, dass es so wahrgenommen wird. Wir sind in erster Linie Gastgeber. Uns freut es, dass so viele Leute hierherkommen und immer wieder weitere Freunde mitbringen. Unser Ziel ist primär das qualitative Wachstum und nicht das quantitative. Es ist gar nicht so schlecht, dass wir durch den Ort und unsere Locations limitiert sind. Wir richten unser Augenmerk auf den Inhalt. Das Herzstück des Festivals ist auch, dass sich Leute begegnen, eine gute Zeit haben. Dieser Gedanke darf nicht verloren gehen. Zermatt Unplugged ist ein Gesamtpaket: Zermatt mit seiner Gastronomie, der herrlichen Umgebung und guter Musik.»
Welchen Stellenwert hat Zermatt Unplugged für die Destination Zermatt?
«Das Festival hat einen sehr hohen Stellenwert. Es ist für die ganze Wertschöpfungskette ein wichtiger Anlass. Das umfasst die Hotels, Restaurants und weiteren touristische Einrichtungen. Das Festival löst aber auch gesellschaftlich etwas aus. Es ist für Zermatt imagebildend, strahlt weltweit aus und zieht ein neues Publikum an. Viele Künstler tragen diese Botschaft in die Welt hinaus. Sie bleiben meistens mehrere Tage in Zermatt und berichten darüber. Sie verbringen hier eine gute Zeit, fahren Ski und lernen die Umgebung kennen. Ich bin allerdings froh, wenn sie sich erst nach dem Auftritt auf die Piste begeben.» (lacht)
Ein Festival in der Grössenordnung ist neben Partnern auch auf Sponsoren angewiesen. Wie läuft die Entwicklung beim Sponsoring?
«Dieses Jahr konnten wir zum ersten Mal alle vier Main- und sechs Co-Partnerschaften besetzen. Das spricht für die Qualität unserer Partnerschaften. Sponsoring im herkömmlichen Sinn gibt es eigentlich nicht mehr.
Wir sprechen von Partnerschaften, in denen man sich auf gleicher ‹Flughöhe› begegnet. Wir kreieren zusammen Produkte und Inhalte, von denen alle einen Mehrwert haben. Wir brauchen die Standbeine Ticketing und Sponsoring bzw. Partnerschaften. Ansonsten wäre das Festival gar nicht finanzierbar.»
Dieses Jahr können keine Tagespässe mehr für die Konzerte der Nebenbühnen in und um Zermatt gekauft werden. Es wird nur noch ein Wochenpass für 60 Franken angeboten. Wie waren die Reaktionen auf diese
Veränderung?
«Es gab einzelne Reaktionen. Bisher noch nicht sehr viele. Wir haben uns in den letzten Jahren stets weiterentwickelt. Wir möchten die Künstler der Nebenbühnen ebenfalls gut behandeln, ihnen eine angemessene Gage bezahlen und gute Unterkünfte bieten. Das gehört zur Wertschätzung. Die Einführung des Tagespasses letztes Jahr wurde gut aufgenommen. Das Handling war aber einfach zu kompliziert. Die meisten Gäste bleiben mehrere Tage in Zermatt, da ist ein Preis von 60 Franken doch fair. Der Preis ist aber auch für Tagesgäste vertretbar. Sie können pro Tag rund 15 bis 20 Konzerte oder Events besuchen. So leistet jeder seinen Beitrag. Ich hoffe, dass die Besucherinnen und Besucher den Wert der Konzerte erkennen. Aber es ist mir bewusst, dass es keine Lösung gibt, die alle zufriedenstellt. Der Wochenpass gibt den Konzerten einen neuen Wert und es wird klar, dass es sich nicht nur um Après-Ski-Events handelt, sondern eben um qualitativ hochstehende Konzerte.»
In welche Richtung sollte sich das Festival Ihrer Meinung nach in Zukunft weiterentwickeln?
«Den Fokus der Entwicklungen behalten wir weiterhin auf den Inhalten. Die Westschweiz könnten wir noch stärker einbinden und uns dort besser positionieren. Die Sprachbarriere ist auch eine musikalische Barriere. Dem gilt es Rechnung zu tragen. Punktuelle Aktivitäten in England, Deutschland oder Frankreich wären ebenfalls denkbar, um den Brand noch vermehrt hinauszutragen.»
Kommt es zu einem Export des Zermatt Unplugged Festivals?
«London wäre für uns sicher interessant. Viele Briten lieben Zermatt und es besteht bereits eine gute Zusammenarbeit mit dem Ronnie Scott’s Jazz Club. Zudem sitzt die Musikindustrie in London. Wir werden über den Tellerrand hinausblicken. Vielleicht gibt es ja eine Kombination, sodass die Themenwelt der schönen Destination mit Unplugged-Musik an einem anderen Ort dargestellt und erlebt werden kann.»
Interview: Nathalie Benelli
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