Nicolas Féraud | Gemeinde überlegt sich, was wäre, wenn US-Justiz Viteks Gelder einfriert
«Wir hoffen, dass es nie so weit kommen wird»
Crans-Montana | Als Gemeindepräsident hat sich Nicolas Féraud immer dagegen gewehrt, sich in die Machenschaften von Radovan Vitek, dem schwerreichen Mehrheitsaktionär der örtlichen Bergbahnen CMA, hineinziehen zu lassen. Jetzt ist in der Nobel-Destination Zwischensaison. Zeit durchzuatmen. Eigentlich.
Nicolas Féraud, muss man sich Sorgen machen um Crans-Montana?
«Nein. Vieles läuft hier gut, anderes weniger – so ist das nun mal in der Politik. Wir führen eine Gemeinde, die eine Stadt wird. Mit über 10 000 Einwohnern, während der Hochsaison leben hier sogar 50 000 Menschen. Dabei spielen die CMA natürlich eine wichtige Rolle.»
Das Vertrauen zwischen den Bahnen und der Gemeinde hat zuletzt stark gelitten.
«Es ist viel einfacher, wenn man in einer Tourismusdestination auf vertrauenswürdige Partner zählen kann. Und daran arbeiten wir.»
Glauben Sie wirklich daran, dass es möglich sein wird, dieses Vertrauen wiederherzustellen?
«Ich hoffe es zumindest. Herr Vitek ist ein guter Spekulant. Jetzt muss er lernen, ein guter Bergbahn-Unternehmer zu werden. Und er wird merken, dass dies einfacher geht, dass man mehr Geld verdienen kann, wenn man es ruhig und Hand in Hand mit den lokalen Behörden macht.»
Mit einer finanztechnischen Finte hat Vitek 2,7 Millionen an öffentlichen Geldern vernichtet und damit gleichzeitig die Beteiligung der Gemeinden an den CMA von 25 auf 11 Prozent reduziert. Regt Sie das nicht auf?
«Was heisst hier aufregen? Die Anteile haben wir zwar eingebüsst, aber das Geld, das sich Vitek selbst zugeschanzt hatte, musste er auf unser Drängen hin ja wieder zurückgeben. Damit ist für uns dieses Kapitel erledigt.»
Sie hätten ihn anzeigen können.
«Ja. Das hätten wir auch, wenn er das Geld nicht zurückgegeben hätte. Eine Mehrheit des Gemeinderats wäre dafür gewesen, wenn es denn so weit gekommen wäre. Aber das ist es nicht. Und der Fall liegt ja nun ohnehin in den Händen der Walliser Staatsanwaltschaft, die von sich aus eine Voruntersuchung gegen Radovan Vitek eingeleitet hatte.»
Kaum zum Präsidenten gewählt, wurden Sie zu Viteks Gegenspieler. Wie fühlt sich diese Rolle an?
«Als Gemeinde dürfen wir uns in derlei Machenschaften nicht hineinziehen lassen. Deshalb musste ich in diesem Dossier besonders darauf achten, dass die Entscheide des Gemeinderats auch legal sind. Mir ging es immer darum, die Interessen unserer Bürger und Steuerzahler zu wahren. In der Bevölkerung spüre ich deshalb ein grosses Vertrauen. Trotzdem fühlt man sich in dieser Rolle manchmal auch ziemlich allein. Die Druckversuche sind schon massiv.»
Wurden Sie dabei bedroht?
«Nein.»
Beschimpft?
«Möglich, ja. Ich habe das nicht so verfolgt, was hintenrum geredet wird.»
Wenn man mit den Leuten hier auf dem Haut-Plateau spricht, hat man das Gefühl, dass sie langsam genug haben. Auch vom ganzen Medienrummel. Was macht die ganze Geschichte um Vitek mit den Menschen im Dorf?
«Es ist nicht sehr angenehm, mit Negativschlagzeilen auf den Titelseiten nationaler Zeitungen zu landen. Vor allem im April 2018, nachdem Vitek die Bahnen in der laufenden Saison kurzerhand dichtmachte. Weder die Gemeindebehörden noch die Menschen, die hier leben, sind dafür verantwortlich. Aber mit den Schlagzeilen müssen wir leben.»
Hat die angespannte Situation auch einen Einfluss auf die Standortattraktivität von Crans-Montana?
«Natürlich. Die ganzen Gewerbetreibenden hier sind verunsichert. Sie würden einen sehr hohen Preis bezahlen müssen, wenn die Bahnen längere Zeit nicht fahren. Hier hoffen alle Beteiligten, dass das jetzt alles aufhört und wieder Ruhe einkehrt.»
Nach der äusserst angespannten Lage und der Fast-Eskalation des Streits Ende 2018 sah man Staatsrat Christophe Darbellay gemeinsam mit Vitek beim gemütlichen Mittagessen in einer Pisten-Beiz. Ich nehme an, das hat sich auch im Dorf herumgesprochen.
«Wir leben in einem freien Land, jeder kann essen gehen, mit wem er will. Als Vermittler war uns Herr Darbellay sehr behilflich damals, als Vitek die Bahnen schliessen liess. Danach, bon…»
Danach was?
«Ich konnte nicht immer nachvollziehen, welche Positionen er vertritt.»
Bleibt er Vermittler zwischen Gemeinde und Vitek?
«Nein. Darbellay hat gemacht, was er tun musste. Jetzt muss er die machen lassen, die zuständig sind. Wir Gemeinden und die CMA müssen unser Verhältnis selbst klären.»
In den USA läuft eine Klage gegen Vitek. Und es geht um sehr viel Geld. Was, wenn die amerikanischen Justiz-Behörden grobes Geschütz auffahren und Vitek allenfalls die Konten einfrieren? Dann stehen die CMA wieder still.
«Wir verfolgen die Geschehnisse in Übersee. Wir sind bereit.»
Bereit wofür?
«Falls Gelder oder Konten von Vitek im Rahmen eines möglichen Prozesses tatsächlich blockiert werden sollten, dann würden wir sofort entsprechend reagieren, damit die CMA operativ bleiben und weiterlaufen könnten.»
Das heisst, Sie rechnen mit möglichen Konsequenzen auch für die Gemeinden?
«Wie schon gesagt: Die CMA sind sehr wichtig für Crans-Montana. Falls Viteks Besitz ins Visier der US-Justiz geraten sollte, müssen wir schnell Lösungen finden, um die Bahnen davon auszunehmen, etwa durch eine superprovisorische Massnahme eines Schweizer Richters. Wir hoffen hier natürlich alle schwer, dass es niemals so weit kommen wird. Als Gemeindepräsident muss ich mir aber Gedanken machen, was wäre, wenn doch…»
Wurden Sie von der US-Justiz bereits kontaktiert?
«Das weiss ich nicht. Ich hatte Anrufe in Abwesenheit auf meinem Handy mit amerikanischer Vorwahl. Aber ich habe nicht zurückgerufen. Ich wurde nie offiziell angefragt.»
In Montana hat es genug Kapital. Warum wollen keine Einheimischen in die Bahnen investieren?
«Die gab es vor Vitek. Aber die Einheimischen wollten nicht auf längere Sicht in die CMA investieren. Dazu kamen die verschiedenen Gemeinden damals, die alle beteiligt waren, aber jede einen anderen Bezug zu den Bergbahnen hatte. Diese Gemengelage verschiedener Interessen hat es nicht einfach gemacht. Schliesslich setzt sich eine Mehrheit durch, wonach man die Pläne für eine Lösung mit hiesigen Investoren wieder verwirft.»
Sie sind der erste Präsident der fusionierten Gemeinde. Eine kleine, frühzeitige Bilanz?
«Es hat sich gelohnt. Der Gemeinde geht es gut, wir investieren jedes Jahr Dutzende Millionen auf unserem Gebiet. Auch die Verwaltung funktioniert hervorragend. Politisch betrachtet braucht es noch Anpassungen. Derzeit sitzen elf Personen im Gemeinderat, ein halbes Parlament (lacht). Wir wären effizienter mit weniger Sitzen in der Exekutive, mit neun – oder sogar sieben. Ich hoffe, dass wir der Bevölkerung demnächst einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten können.»
Das Präsidium wird auch im nächsten Jahr hart umkämpft sein zwischen «Ihrer» FDP und der CVP. Werden Sie nochmals kandidieren?
«Ich fühle mich in bester Form und will auch weitermachen. Ich stehe meiner Partei für ein weiteres Mandat zur Verfügung.»
Wenn Sie gleich viel Geld hätten wie Radovan Vitek, in welches Projekt würden Sie es investieren?
«In eine Verbindungsbahn hinüber auf die Berner Seite nach Lenk.»
Interview: David Biner
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