New York Fashion Week | Die Oberwalliser Make-up-Artistin Michèle Clausen macht die Schönen noch schöner
Alles muss perfekt sein
Die New York Fashion Week gehört zu den wichtigsten Modewochen weltweit. Bekannte Models zeigen hier zwei Mal im Jahr die Mode von führenden Designerinnen und Designern. Perfekt geschminkt erscheinen die Schönheiten auf den Laufstegen – auch dank Michèle Clausen.
Schon als kleines Mädchen interessierte sich Michèle Clausen für die Schminksachen ihrer Mutter. Heimlich probierte sie die farbigen Lidschatten und Lippenstifte aus. «Das Resultat sah nicht immer spitze aus», flachst die 25-Jährige.
Den Schritt in die Kosmetik-Welt wagte sie aber nicht direkt. Michèle Clausen besuchte zuerst die Handelsschule. «Es war mir wichtig, eine solide Grundausbildung zu haben», sagt sie pragmatisch. Mit 17 zog es die Brigerin mit Erner Wurzeln dann nach Zürich. Für eine Bank oder Versicherung zu arbeiten, war für sie keine Option. Sie suchte nach einem Praktikumsplatz im Beauty-Bereich und fand den auch. Sie sagt: «Da kam ich zum ersten Mal mit der Welt der Modenschauen in Kontakt und hatte Einblick, wie es backstage zu und her geht. Das war meine Welt. Da wollte ich arbeiten.» Also vertiefte sie ihr Wissen und besuchte die Visagistenschule «Art of Make-up».
Die Konkurrenz unter Visagistinnen und Visagisten ist gross. Trotzdem ergatterte sie einen der begehrten Jobs beim Kosmetik-Unternehmen Estée Lauder Companies Schweiz für die Marke Bobbi Brown. Sie begann dort im Marketing und unterstützte bei Bedarf die Make-up-Artisten bei Spezialpromotionen. Schon bald zeigte sich: Sie hat das Zeug zur Make-up-Artistin. «In diesem gesättigten Markt ist es wichtig, durch Können und Persönlichkeit herauszustechen. Kann sein, dass der Walliser Dialekt ein zusätzlicher Bonus war», sagt Michèle Clausen und lacht. Jetzt arbeitet sie als Sales and Education Executive bei Bobbi Brown. Sie schult und berät Angestellte in den verschiedenen Verkaufsstellen und Counters in grossen Warenhäusern.
Team der Besten
Das machte sie so gut, dass sie dem Global Education Director auffiel. Ihr Talent fürs Schminken und ihre Fähigkeit, auf die Wünsche von Kundinnen einzugehen, waren nicht zu übersehen. Weltweit werden zehn Mitarbeiter ausgewählt, die für das Unternehmen an der New York Fashion Week als Make-up-Artisten arbeiten können. Michèle Clausen gehört dazu. Im September 2019 reiste sie zum ersten Mal in den «Big Apple». Vor einer Woche kam sie von ihrem zweiten Fashion-Week-Einsatz zurück.
«Viele denken, dass der Aufenthalt an der New York Fashion Week viel mit Glamour und Party zu tun hat. Doch dem ist nicht so. Ich stehe kurz nach fünf Uhr in der Frühe auf, fahre zur ersten Show-Location, schminke die Models, und dann geht es schon weiter zur zweiten Show», beschreibt sie den Arbeitstag. Am Abend sei sie so um 19 Uhr zurück im Hotel. Dann esse sie noch etwas mit ihren Teamkolleginnen und -kollegen, bevor sie müde ins Bett falle.
45 Minuten pro Model
Sie schildert, was sich hinter dem Laufsteg abspielt: «An den Shows bespricht der Chef-Make-up-Artist mit dem Designer der Show den Look. An einem Model wird dann dem Team gezeigt, welches Produkt wie eingesetzt wird, welche Technik anzuwenden ist und wie das Resultat aussehen soll.» Sie bekomme dann zwei bis drei Models zugeteilt und schminke sie nach diesen genauen Vorgaben. «Das kann schon mal 45 Minuten pro Model dauern. Am hektischsten sind die Minuten kurz vor Showbeginn. Da wird noch einmal alles kontrolliert und letzte Anpassungen werden gemacht.» Alles muss perfekt sein, denn schliesslich hat man es mit Designern wie Zimmermann, Serena Williams, Tibi oder Son Jung Wan zu tun. Unter den Models befinden sich nicht selten Gesichter wie Candice Swanepoel, bekannt als Victoria’s Secret Model. In New York bot sich ihr Gelegenheit zu einer Weiterbildung. «Man lernt nie aus. Mein Ziel ist es, auch einmal an den Modewochen in London, Paris oder Mailand zu arbeiten. Da lohnt es sich, up to date zu bleiben», sagt die junge Berufsfrau.
Trifft man Michèle Clausen privat, wirkt sie überhaupt nicht geschminkt. Sie kommt frisch und natürlich daher. «Darauf werde ich oft angesprochen. Für mich ist das ein Kompliment. Ein gutes Make-up soll die Haut strahlen lassen und das Schöne betonen, ohne dass man geschminkt oder sogar wie bemalt aussieht», sagt die Make-up-Artistin.
Nathalie Benelli
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