Lebensgeschichte | Lucas Davis, Bildhauer und Galerist, über das Vertrauen ins Leben und die unglaublichsten Dinge
Von einem, der immer schon etwas anders war

Eigene Wege. Lucas Davis lässt sich nicht beirren. Er folgt seiner Inspriation als Künstler und Galerist.
Foto: WB / Alain Amherd
Vor einem Jahr hat Lucas Davis die Art Gallery in Zermatt eröffnet. In einer Zeit, in der andere Galerien ums Überleben kämpfen, folgt er einem eigenen Konzept. Durchaus erfolgreich.
Die Art Gallery ist im alten Dorfteil von Zermatt zu finden, in einem respektvoll umgebauten Handwerksgebäude. 2018 wurde die Galerie für den Award für Marketing und Architektur nominiert. Der Künstler Lucas Davis präsentiert hier eigene Arbeiten und die einer Gastkünstlerin oder eines Gastkünstlers. Dieses Konzept geht auf. Davis betont, dass in Zermatt mit seiner internationalen Klientel vieles anders läuft als in den Galerien im Talgrund. «Es gibt hier schon auch Tage an denen sich kein einziger Mensch in die Galerie verirrt. Aber es gibt eben solche, an denen ich abends ganz heiser bin, von den vielen Kundengesprächen.» Der persönliche Kontakt sei das A un O, ist Lucas Davis überzeugt.
Und manchmal kommt es in der Art Gallery zu Begegnungen wie sie sich wohl nur in Zermatt ergeben. «Zu Beginn der zweiten Ausstellung kam eine junge Amerikanerin zur Türe herein. Sie sprach kaum ein Wort mit mir, zeigte auf die zwei teuersten Kunstwerke und wollte diese erstehen», erzählt Davis. Beim Versuch, die Kreditkarte einzulesen, funktionierte der Kartenleser nicht. Die Frau machte auf dem Absatz kehrt und verliess die Galerie. «Ich dachte schon, die sehe ich nie mehr wieder. Doch fünf Minuten später stand sie wieder vor mir und zückte eine andere Karte. Zum Glück hat es dann mit der Bezahlung geklappt. Damit startete diese Saison schon mal unter einem guten Stern», schildert der 35-Jährige die Geschehnisse.
Stärken als unbedeutend eingestuft
Den Erfolg der Art Gallery nur auf den Standort Zermatt zu reduzieren, wäre aber zu kurz gegriffen. Der gute Gang der Geschäfte hat bestimmt auch mit der Persönlichkeit von Lucas Davis zu tun. Die Werkstatt des Bildhauers ist im Untergeschoss eingerichtet; der gläserne Boden der Galerie gibt die Sicht frei. Hier arbeitet er in der Zwischensaison an seinen Skulpturen in Bronze, Holz und Aluminium. Dass er einst ein Künstler werden würde, lag eigentlich auf der Hand: Als er auf den Namen Lucas Henry Elias Davis getauft werden sollte, war für den Pfarrer klar: Das wird ein Künstler, ein Poet. Er sollte recht behalten. In der Primarschule festigte sich das Bild: «Ich war ein verträumtes, kreatives Kind. Aber alles was ich gut konnte, wurde in der Schule als nicht so wichtig eingestuft: zeichnen, singen, turnen, musizieren – halt alles Nebenfächer. Für ein Kind ist es schon eine prägende Erfahrung, wenn all seine Stärken als unbedeutend eingestuft werden», resümiert der Künstler.
Doch beirren liess er sich auf seinem Weg nie. Nach der Orientierungsschule besuchte er eine internationale Highschool in Brillantmont bei Lausanne. Als Kind einer Zermatterin und eines Amerikaners genoss er den Kontakt mit Jugendlichen aus aller Herren Ländern. «Ich bin einfach kein Allrounder. Ich habe Kollegen, die würden wahrscheinlich jeden Job einigermassen gut hinkriegen. Ich hingegen habe Begabungen, die sehr ausgeprägt sind, aber andere lassen zu wünschen übrig. Vielleicht sind mir jene einfach auch nicht wichtig. Irgendwie hält sich das ja dennoch die Waage», sagt Lucas Davis lachend. In einem Vorkurs einer Kunsthochschule kam er das erste Mal mit Ton und dem Modellieren in Berührung. «Das war für mich wie eine Erleuchtung. Der «Gätsch» ist mein Element.»
In der Kunstschule «The Florence Academy of Art» lernte er das Bildhauerhandwerk von der Pike auf. Er wurde angeleitet mit dem Zeichenstift und mit Ton anatomisch korrekt zu porträtierten. Damit legte er eine solide Basis für sein Kunstschaffen. Der eigene Stil folgte danach. Seine sprühende Fantasie und seine ausgeprägte Beobachtungsgabe fügten das ihre hinzu. Aus sein Künstlersein bildet er sich jedoch nichts ein. «Ich bin bloss das Werkzeug, der Umsetzer. Alle Impulse, die ich bekomme sind geschenkt. Irgendetwas schafft durch mich hindurch. Durch dieses Bewusstsein laufe ich nicht Gefahr, abzuheben», erklärt er seine Sicht von künstlerischem Schaffen. Sein Können ergänzte er dann noch an der London Art School. Ornamentale Holzschnitzerei, Holzbildhauerei und die Restauration von sakralen Gegenständen und Bauten standen auf dem Lehrplan der Schule, die er nach drei Jahren mit Bravur abschloss. Lucas Davis lebte auf im künstlerischen Umfeld der britischen Hauptstadt.
Doch dann rief das Militär. «Stellen Sie sich vor, wie das für einen wie mich war. Ich bin jemand, der von Natur aus anders ist als die Norm. Das Militär hingegen ist darauf ausgerichtet, alle gleich zu machen. Das konnte nicht gut gehen», erzählt der Zermatter. Rebellieren wollte er indes nicht. «Ich habe denen einfach klar gemacht, dass ich ihnen nichts bringe.» Nach drei Wochen glaubten sie ihm. Er konnte dann statt Militärdienst in Luzern Zivildienst leisten – Kunsttherapie mit Burn-out-Patienten. «Hier hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass mein Können für die Gesellschaft wertvoll ist», schildert er seine Erfahrungen.
Keine Langeweile zwischen Picasso und Monet
In Luzern gefiel es ihm so gut, dass er unbedingt dort leben wollte. Er arbeitete als freischaffender Künstler und arbeitete als Aufsicht im Museum Sammlung Rosengart. «Meine Kollegen warnten mich: Du wirst dich zu Tode langweilen in der Dauerausstellung. Aber ich habe mich sieben Jahre lang keine einzige Sekunde gelangweilt. Wie sollte ich, zwischen all den Picassos, Chagalls, Cézannes oder Monets? Ich habe je nach Stimmung immer wieder etwas Neues in diesen Werken entdeckt», schwärmt Davis. Die Arbeit und das Umfeld dort haben ihm so gefallen, dass er sogar bereit war, jeden Tag vor Ausstellungsbeginn die Toiletten des Museums zu putzen. «Ich habe mir immer abverlangt, diese Arbeit nicht mit Verachtung zu betrachten. Denn sie brachte mir zusätzliches Geld ein und ermöglichte mir, meine Rechnungen zu bezahlen und dadurch mein Leben in Luzern zu bestreiten.» Am Ende des Monats blieb aber dennoch kaum je etwas übrig.
Als Lucas zweiunddreissig wurde, wollte er mehr Sicherheit im Leben. Das Leben eines darbenden Künstlers mochte in seinen Zwanzigern richtig sein, aber jetzt war die Zeit reif, etwas Neues zu wagen. «Ich erklärte meinen Eltern, dass ich in Rio de Janeiro mein Glück versuchen wolle. Sie baten mich, nichts zu überstürzen. Bald darauf boten sie mir an, im ehemaligen Siebdruckatelier meines Vaters eine Galerie einzurichten.» Das Angebot war zu verlockend, er nahm es an. So kam es, dass er nun als Galerist und Künstler in Zermatt wirkt. Er wisse durchaus, dass die Zeiten für Galerien keine einfache seien. Aber er wolle die Tradition des Ausstellens hochhalten. Er tue alles, was er zum guten Gelingen beitragen könne. «Aber manchmal muss man einfach auf gute Sterne hoffen, dem Leben vertrauen und nicht zu viel erwarten. Dann geschehen die unglaublichsten Dinge», sagt Lucas Davis. Er weiss sehr wohl, wovon er spricht.
Nathalie Benelli
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