Kultur | Kulturschaffende entwickeln Zukunftsvisionen
Kulturrevolution der Randregionen
Brig-Glis / In einer Zeit der schmelzenden Gletscher kann es nicht schaden, Utopien zu entwickeln. Wer wäre dazu besser geeignet als Kulturschaffende?
Was kann die Bergregion retten? Kultur natürlich! Zu diesem Thema schrieb die NZZ am 15.01.2019 einen Artikel: Das Theater Chur ruft zur «Kulturrevolution» auf. Im Graubünden stellen sich Theaterschaffende die Fragen: «Was, wenn der letzte Gletscher geschmolzen, der letzte Touristenstrom versiegt sein wird? Die menschliche Arbeitskraft – Hotellerie, Gastronomie, die Pflegebranche, die Baubranche – ist ein Relikt einer analogen Vergangenheit. In Zukunft wird Arbeitskraft überflüssig sein, abgelöst durch intelligente, selbstlernende Maschinen. Und jetzt?»
Kultur ermöglicht lokale Anbindung
Georg Scharegg, Schauspieler, Regisseur und Theaterproduzent, und die Intendantin Ute Haferberg sind die Initianten der «Kulturrevolution». Sie messen der Kultur in den Randregionen der Schweiz eine grosse Bedeutung zu. «Wir müssen an der Peripherie den Braindrain, die Abwanderung der Talente, verhindern und den Menschen mit Kultur eine lokale Anbindung ermöglichen.» Kultur als Angebot einer Auseinandersetzung, von Identifikation und Zugehörigkeit.
Utopien entwickeln
Einen ähnlichen Ansatz wie das Theater Chur verfolgt das KulturNetz Brig. Es handelt sich dabei um einen Zusammenschluss der Kulturinstitutionen BergBuchBrig, Kellertheater, Kunstverein Oberwallis, Mediathek Wallis Brig und dem Zeughaus Kultur. Zum Thema Klimawandel zieht man ein spartenübergreifendes Festival auf. Sowohl ein Laboratorium zur Entwicklung von neuen Ansätzen wie auch eine Konfrontation mit Problemstellungen des alpinen Raums sind Bestandteil. «Der Klimawandel verändert unsere Landschaft, unsere Lebensgrundlage, unser Erleben, unser Denken und Fühlen», erklärt das KulturNetz Brig seine Überlegungen.
Abseits der grossen Zentren
Das von Iris Weder, Kulturdelegierte und Betriebsleiterin Zeughaus Kultur Brig, initiierte Festival lädt Kunstschaffende aus der ganzen Schweiz ein, sich Gedanken über diese Veränderungen zu machen. Das Thema betrifft alle. In den Bergkantonen sind die Spuren der Erderwärmung jedoch früher sichtbar als in den Städten. Deshalb ergreift die Peripherie die Initiative und ruft auf zur Entwicklung von Utopien. Abseits der grossen Zentren werden innovative Kulturprojekte und Zukunftsvisionen entwickelt, die gesamtschweizerische Bedeutung erlangen können.
Experimenteller Raum
Möglich sind solche Projekte nur, wenn es Kultureinrichtungen gibt, die einen experimentellen Raum zulassen. Im Graubünden macht sich das Theater Chur dafür stark. Im Oberwallis springt unter anderen das Zeughaus Kultur Brig in die Bresche. Regelmässig werden hier regionale, nationale und internationalen Produktionen in den Sparten Schauspiel, Tanz, Musik, Kinder- und Jugend-Theater gezeigt. Das Briger Kulturhaus setzt aber auch auf Dialog und Kooperationen. Das heisst, Netzwerkpflege mit anderen Theaterhäusern, Kulturschaffenden und kulturellen Einrichtungen. Zudem wird der Kulturvermittlung viel Platz eingeräumt. Nur wo Raum ist für Weiterentwicklung kann eine Kulturszene lebendig bleiben.
Kulturstrategie weist den Weg
Das Zeughaus Kultur Brig hat bereits mit dem Theater Chur Kontakt aufgenommen. Die «Kulturrevolution» soll 2020 in Brig zu sehen sein. Zwei Randregionen spannen so für den kulturellen Austausch zusammen. Schon das alleine gleicht einer Kulturrevolution. In Graubünden hofft man derweil auf die Unterstützung des Kantons für die eingeschlagene Stossrichtung. Dort gibt es noch kein Leitbild für Kultur. Das Wallis ist einen Schritt weiter. Die Kooperation Kulturnetz Brig passt mit ihrem ersten Projekt perfekt zur Kulturstrategie des Kantons Wallis. Hier steht: «Der Kanton fördert die Vertiefung der Beziehungen zwischen Kultur und Wirtschaft, indem er das Schaffens- und Innovationspotenzial der Kulturschaffenden sowie das Interesse von Kultur, Kunst und Kulturerbe berücksichtigt, um die Attraktivität des Wallis zu steigern.» Bis am 30. April 2019 können Kulturschaffende ihr Innovationspotenzial unter Beweis stellen und ihre Projekte zum Thema Klimawandel an das Kulturnetz Brig (www.kulturnetzbrig.ch) einsenden.
Nathalie Benelli
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