Kultur | Johannita Mutters zweites Zuhause ist das Theater
«Wir machen aus jedem einen Star»
Ried-Brig | Knollennasen und Narben modellieren, Perücken anfertigen und Operndiven betreuen. Wer auf der Bühne steht, kommt an Maskenbildnerin Johannita Mutter nicht vorbei – sie macht die Illusion perfekt.
Die Schauspielerin ist gerade um 20 Jahre gealtert – Johannita Mutter hat ihr neben einer «Couperose» noch ein paar Schatten ins Gesicht gezaubert, der Effekt ist verblüffend. Das Gesicht wirkt etwas eingefallen, von den Jahren gezeichnet. «Will man jemanden für die Bühne altern lassen, darf man nicht einfach ein paar Linien auf die Stirn zeichnen und meinen, diese gingen als Falten durch. Man muss schon die Morphologie des Schädels vor Augen haben, um jemanden natürlich und echt um Jahre oder Jahrzehnte älter wirken zu lassen», erklärt Maskenbildnerin Johannita Mutter.
Spätestens jetzt weiss man, hier spricht ein Profi, der so manchen grossen Star, Film- und Laienschauspieler auf dem Stuhl hatte.
Von Sidney nach Genf
Die Maskenbildnerin wurde 1953 in Naters geboren. Sie absolvierte eine Coiffeurlehre, wusste aber bereits früh, dass sie sich noch weiterbilden will. «Ich wollte etwas Kreatives machen. Im Coiffeurladen war ich in dieser Hinsicht eingeschränkt, musste mich an die Kundenwünsche halten.» Sie liess sich deshalb im Stadttheater Bern zur Maskenbildnerin ausbilden. Während dieser drei Jahre lernte sie alles über historische Frisuren, Perückenknüpfen, Schminken, Zeichnen und Modellieren. Ihr Examen machte sie in Deutschland – damals war der Beruf in der Schweiz noch nicht anerkannt. Daraufhin arbeitete sie im In- und Ausland fürs Theater, aber auch für Fernsehsender, wie etwa ABC Television in Sidney.
Zurück in der Schweiz ging es für die junge Maskenbildnerin nach Genf ans Opernhaus. Am Grand Théâtre war sie rund sieben Jahre für das Ballett zuständig. Seit 1990 ist sie freischaffend fürs Theater, für Film- und Opernproduktionen, unterrichtet aber auch und gibt Kurse. Seit über 40 Jahren sei sie bereits in ihrem Traumberuf tätig.
«Je grösser ein Star, desto einfacher ist er in der Maske. Die haben es nicht nötig, sich einzumischen»
Johannita Mutter
Maskenbildnerin
Gründliche Vorbereitung – ein Muss
Im Oberwallis ist sie jeweils bei den Stücken des Freien Theaters Oberwallis für die Maske verantwortlich. Zuletzt sah man ihre Arbeit etwa beim Musical «Umbra» oder in der zweiteiligen Doku-Fiktion «Dynastie Knie – 100 Jahre Nationalcircus». Viel Zeit investiere sie jeweils in die Vorbereitung. Sie setze sich intensiv mit dem Stück oder dem Filmstoff, der dazugehörigen Zeitepoche sowie mit den Rollen auseinander. Wichtig sei auch der Austausch mit den Kollegen vom Bühnenbau und von den Kostümen sowie mit den Regisseuren. Dann entwerfe sie jeweils auf einem Skizzenblatt für jeden Darsteller die Maske und die Frisur. «Die Perücke oder die Frisur macht mehr als 50 Prozent des Gesichts aus. Bei einer ersten Probe mit Maske schaue ich mir auch immer an, wie es auf der Bühne im Scheinwerferlicht wirkt», erklärt die Natischerin.
Ob Prinzessin, Untoter, Clochard, König oder Greis – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt – es ist alles möglich. «Ich sage immer, wir machen aus jedem einen Star.» Und wie sind sie denn so, die grossen Stars, die Operndiven und die gut bezahlten Filmschauspieler? Haben sie Starallüren und Extrawünsche? «Je grösser ein Star, desto einfacher ist er in der Maske. Die haben es nicht nötig, sich bei uns einzumischen. Die wissen, was sie können und was wir können und vertrauen uns deshalb blind.»
Hinter den Kulissen
Nach all den Jahren in diesem Beruf ist Johannita Mutter nach wie vor glücklich, immer hinter den Kulissen zu sein. Das Rampenlicht und den Applaus, den die Schauspieler ernten, hat sie nie gesucht. «Wir sind die Leute im Schatten, die Schattenpersonen – dies war nie ein Problem für mich. Im Gegenteil, ich erlebe es ja hautnah mit, wie die Schauspieler vor einem Auftritt vor Nervosität fast ‹zergehen› – das wäre nichts für mich. Beim Theater oder auch beim Film hat jeder vor oder hinter dem Vorhang seine Rolle, es braucht jeden, um einem Projekt zum Erfolg zu verhelfen.»
Ein Beruf verändert sich…
In den vergangenen 40 Jahren habe sich ihr Beruf stark verändert – jeder und jede könnte heute einen Kurs besuchen und sich Maskenbildnerin nennen. Das habe aber mit dem Handwerk, wie sie es gelernt habe, wenig zu tun. Auch die Kostüme oder das Licht hätten sich verändert und natürlich auch die finanziellen Mittel der Theaterhäuser. Sie rät den Jungen, die ihren Beruf ins Auge fassen, sich gut ausbilden zu lassen, oft und viel ins Theater zu gehen, sich immer wieder kritisch zu hinterfragen und jeweils exakt zu arbeiten.
Ans Aufhören denke sie noch lange nicht. Gerade steckt sie in den Vorbereitungen für «Don Carlos» für die Sommeroper Selzach im nächsten Jahr. Dafür reist sie auch schon mal kurzerhand nach Madrid und lässt sich inspirieren. Und dann wartet wahrscheinlich auch schon das nächste Projekt auf die Maskenbildnerin.
Melanie Biaggi
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