Jetzt mal ehrlich | Die Parteipräsidenten im Gespräch – Heute: Gilbert Truffer wagt mit der SPO den Spagat zwischen «populistischer» und «partizipieren» und sieht die Tage der Christdemokraten unter der Bundeshauskuppel gezählt
«Es bringt uns nichts mehr, C-Politiker nach Bern zu schicken»
Gilbert Truffer, jetzt mal ehrlich: Wären Sie derzeit nicht lieber ein Grüner?
«Nein, überhaupt nicht.» (lacht)
Wie erklären Sie einem Nicht-Linken den Unterschied zwischen Grün und Rot?
«Ein Roter muss nicht unbedingt ein Grüner sein. Ich habe mich immer für erneuerbare Energien eingesetzt. Aber wer eine Omelette machen will, muss auch mal ein paar Eier zerschlagen. Wenn man Windenergie will, muss man halt Windräder aufstellen. Und das passt den Grünen meist nicht.»
Das Oberwallis ist ein hartes Pflaster für Linke. Und trotzdem: Es müsste doch mehr drinliegen als bei den Wahlen 2015. Die SPO kam damals auf einen Wähleranteil von gerade mal drei Prozent. Was machen Sie falsch?
«Bei den Wahlen 2015 haben wir uns mit einer einzigen kantonalen Hauptliste und den verschiedenen Unter-Listen verzettelt. Das war die falsche Strategie. Nun haben wir daraus gelernt und stellen eine Liste im Ober- und eine im Unterwallis.»
Warum spannt die SP hier nicht komplett mit den Grünen zusammen?
«Eine Fusion beider Parteien ginge eindeutig zu weit. Aber: Einer Zusammenarbeit wie bei den Verfassungsratswahlen, wo sich nebst Linken und Grünen auch Vertreter der Piratenpartei oder Unabhängige vereint haben, steht nichts im Weg. Weniger für nationale Wahlen, weil da doch auch eine nationale Partei dahinterstehen sollte. Aber bei Grossrats- und Gemeinderatswahlen kann ich mir das künftig sehr gut vorstellen.»
Mit der Listenverbindung mit den Grünen arbeiten Sie derzeit fleissig daran, dass der dritte Oberwalliser Sitz ins Unterwallis wandert. Sie sägen so auch am eigenen Ast.
«Zuerst muss mir mal einer erklären, was die drei Oberwalliser Nationalräte dem Oberwallis tatsächlich gebracht haben. Nehmen Sie das Thema Wasserzinsen. Keiner hat sich bewegt, keiner. Auch Franz Ruppen nicht.»
Franz Ruppen behauptet – wie praktisch alle Walliser Vertreter in Bundesbern –, dass dank ihm die Zinsen beibehalten wurden. Weil er gemeinsam mit Magdalena Martullo-Blocher die SVP-Fraktion habe «kehren» können.
«So ein Quatsch! Im Gegensatz zur SVP standen andere Fraktionen viel geschlossener hinter dem Status quo. Ruppen hat lange abgewartet, geschaut, auf welche Seite das Ganze kippt. Schon 2017, als Bundesrätin Leuthard die Wasserzinsen versenken wollte, sagte Ruppen in Naters jedem, der es hören wollte, dass man sich mit den Senkungen abfinden müsse. Und jetzt verkauft er sich als Retter der Wasserzinsen.»
Das Oberwallis wird trotzdem einen Sitz verlieren.
«Wer will, dass der Sitz hierbleibt, muss SPO wählen. So einfach.»
Das müssten ziemlich viele sein, damit Sie einen Sitz machen.
«Ja.» (schmunzelt)
Nehmen wir an, SP-Mann Mathias Reynard wird in den Ständerat gewählt. Reynard und Rieder – das wäre wie Plus mal Minus. Und das gibt Minus. Die Walliser Standesvertretung könnte gleich hier im Visper Bahnhofsbuffet bleiben.
«Bei den Nationalratswahlen wird die CVP erneut verlieren. Die Ratslinke wird dank dem Aufschwung der Grünen gestärkt. Das heisst also: Es bringt uns nichts mehr, C-Politiker nach Bern zu schicken, weil die Partei dort schlichtweg nichts mehr zu sagen hat.»
Aber im Ständerat ist das anders.
«Genau. Im Ständerat ist die CVP stark. Die SP aber auch. Deshalb ist es auch nicht weiter tragisch, wenn sich die Stimmen von Reynard und Rieder manchmal widersprechen würden. Rieder hat sich in Bern ja auch anpassen müssen. Er macht dort nicht mehr die gleiche Politik wie noch im Grossen Rat.»
Macht er es besser?
«Ich finde schon. Als Fraktionschef der CVPO ist er im Grossen Rat einen konsequenten Rechtskurs gefahren, um die rechte Flanke vor der SVP zu schützen. In Bern kann er pragmatischer politisieren.»
Seit bald zwölf Jahren hängt die SPO auch am Tropf von Staatsrätin Esther Waeber-Kalbermatten. Werden Sie 2021 den Sitz kampflos den Unterwalliser Genossen überlassen?
«Uff, das ist noch weit weg.»
Anderthalb Jahre.
«Wer kannte im Januar 2017 Frédéric Favre? Und wer ausser Peter Bodenmann glaubte damals ernsthaft daran, dass es zwei Linke in die Regierung schaffen könnten. Selbst wir haben es ihm nicht geglaubt. Aber er behielt beinahe recht. Vor den Staatsratswahlen kann in so kurzer Zeit so viel passieren.»
Sie haben genügend Zeit, eine Oberwalliser Kandidatur aufzubauen.
«Wir werden schauen, wen die SP im Unterwallis aufstellen wird. Aber eine Doppel-Kandidatur mit einem Oberwalliser Kandidaten oder einer Kandidatin ist nicht abwegig.»
Mit Ihnen als Kandidat?
«Wie gesagt: Das alles ist noch sehr weit weg.»
In regierungsnahen Kreisen sagt man mitunter, Waeber-Kalbermatten sei derzeit die stärkste Person im Staatsrat. Wie ist Ihre Wahrnehmung?
«Das habe ich auch schon gehört. Die Regierung ist sehr kollegial unterwegs. Das kann sicher nicht schaden. Auf der anderen Seite läuft sie Gefahr, in eine Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung zu verfallen. Etwas mehr Dynamik wäre da schon wünschenswert.»
Einer, der mit Friede und mit Freude nichts anfangen kann, ist alt Staatsrat Peter Bodenmann. Ausgerechnet er, Wegbereiter der SPO, ein mittlerweile etwas älterer Herr, fordert in diesem Frauenjahr als Einziger im Kanton den Rücktritt der ersten Staatsrätin. Das ist doch ein Steilpass für jede Fasnachtszeitung.
(lacht) «Peter Bodenmann ist einer, der gerne provoziert. Manchmal hat er recht. Manchmal auch nicht.»
Ist er Fluch oder Segen für die Partei?
«Es gibt ja auch noch andere Stimmen rund um die Partei. Ich versuche immer, die Meinungen von allen einzuholen. Dann wägen wir im Parteivorstand ab und entscheiden. Peter Bodenmann ist sicherlich eine umstrittene Person. Er verfügt aber über ein riesiges Netzwerk. Und manchmal ist er seiner Zeit auch ein klein wenig voraus. Er ist für uns eher Segen denn Fluch.»
Zurück in die Gegenwart. Am Kampagnenstart für die Verfassungsratswahlen sagten Sie, die SPO müsse «populistischer» werden. Am Tisch der Alt-68er schluckte man ein paarmal leer. Was meinen Sie mit «populistischer»?
«Wenn man eine Wurst will, muss man zwei verlangen, damit man zumindest die eine bekommt. Zwischendurch braucht es in der Politik auch die Polemik.»
Sie streiten gerne, sind sich aber auch nicht zu schade, mit Ihrem politischen Gegner daraufhin ein Bier zu trinken. Wie steht es um die politische Debattenkultur im Wallis?
«Wenn es nach mir geht, dürften die hiesigen Debatten noch etwas schärfer geführt werden. Nie unter der Gürtellinie, aber man darf sich gegenseitig nichts schenken. Am liebsten debattiere ich mit der SVP. Dann fliegen die Fetzen. Und danach geht man gemeinsam an die Bar, kein Problem.»
Sie sind Unternehmer, engagiert auch in der MG «Hannigalp» in Grächen. Sie gelten als bodenständig. In Albinen macht mit Beat Jost ein Linker eine klassische Berggebiet-Politik mit unkonventionellem Stil. Ist die Truffer-Jost-Linie diejenige, welche die SPO künftig verfolgen will?
«Ja, ich denke schon. Jost hat früher eher die Talgemeinden vertreten, heute kämpft er fürs Berggebiet. Er hat seine Ansichten teils geändert, sich mächtig ins Amt gekniet und heute führt er die Gemeinde Albinen auf eine sehr innovative Weise. Das steht der SP Oberwallis gut an.»
Bei Lonza geht es derzeit drunter und drüber. Viele Angestellte werden umgeschult, es werden neue Schichtenmodelle getestet. Der Ibex-Bau wurde in einem Zeitplan hochgezogen, der eigentlich nicht einzuhalten ist. Eigentlich viel Arbeit für eine Arbeiterpartei. Aber von der SP hört man da nichts. Hat der Gewerkschaftsflügel Terrain eingebüsst?
«Es halten sich hartnäckig Gerüchte, wonach gewisse Bereiche von Lonza verscherbelt werden sollen. Wir versuchen da dranzubleiben. Aber die Gewerkschaften haben auch immer mitberücksichtigt, dass es sich hier um den grössten Arbeitgeber der Region handelt. Da geht man schon etwas behutsamer ans Werk. Dazu kommt, dass es heute schwieriger ist, den Kontakt zu den Arbeitern herzustellen. Die meisten gehen ihren eigenen Weg.»
Als Linker ist man im Oberwallis stets in der Opposition. Haben Sie nie Lust verspürt, selber auch mitzureden, mitzugestalten?
«Neulich hiess es in einem WB-Leserbrief, bei dem es um das VBS-Projekt auf dem Simplon ging, dass sich bei heissen Themen immer nur die SP zu Wort melde. Mich freut es natürlich, wenn das so wahrgenommen wird. Gleichzeitig geht dabei manchmal vergessen, dass wir nicht nur immer dagegen sind, sondern auch Vorschläge einbringen, wie man es besser machen könnte. Wir wehren uns gegen die Starkstromleitung der Swissgrid, werden demnächst aber auch aufzeigen, dass eine Erdverlegung hier sehr wohl machbar ist. Ich glaube, wir müssen den Leuten diese Seite der SP noch besser klarmachen.»
Ein Spagat zwischen «populistisch» und «partizipieren» – Gilbert Truffer, sind Sie ein Machtmensch?
«Überhaupt nicht. Auch in meinem Unternehmen nicht. Ich versuche die Leute zu fördern und so vorwärtszukommen.»
Die SP will auch die Frauen fördern. Konnten Sie nun noch zwei finden für die Liste?
«Ja.»
Wen?
«Zwei sehr interessante Kandidatinnen, die bis Ende Juli nachnominiert werden und deren Namen wir erst dann kommunizieren.»
War es schwierig?
«Ja. Frauen sind gegenüber der Politik viel kritischer, hinterfragen alles. Da braucht man gute Argumente.»
Welches war ausschlaggebend?
«Wir sind die Partei, die sagt: ‹Es braucht mehr Frauen in der Politik.› Dann müssen wir auch mehr Frauen auf die Liste bringen. Das ist eine Frage der Konsequenz und auch der Glaubwürdigkeit.»
Apropos Glaubwürdigkeit: Die SP hat jahrzehntelang auf der CVP rumgehackt, auch auf Viola Amherd. Und schwups, kaum steht sie vor der Wahl in den Bundesrat, habt ihr einen kleinen Fan-Club gegründet. Die CVP-Frau Amherd sei «eine von uns». Jetzt mal ehrlich: Was erhofften Sie sich von dieser Charmeoffensive?
(lacht) «Einen Fan-Club gab es nicht, jedenfalls war ich da nicht dabei. Aber die SPO konnte mit Amherds Politik in Bundesbern eigentlich immer gut leben, deshalb sind wir damals hinter ihr gestanden. Jetzt muss sie zeigen, was sie draufhat.»
Wenn Sie bei ihr einen Wunsch frei hätten?
«Den Ausbau des Schiessplatzes Simplon könnte sie nochmals überdenken.»
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