Jetzt mal ehrlich | Die Parteipräsidenten im Gespräch – heute: Franz Ruppen. Der Natischer ist amtsältester Parteipräsident. Seine SVPO ist gut aufgestellt. Doch wie lange noch, Herr Ruppen?
«Es stimmt nicht, dass die SVPO an Dynamik verloren hat»
Franz Ruppen, jetzt mal ehrlich: Freuen Sie sich jeweils auf den Donnerstag?
«Auf den Donnerstag? Ach ja, die ‹RhoneZeitung› erscheint donnerstags (lacht). Und somit die Kolumne von Peter Bodenmann. Gefühlte acht von zehn Mal bin ich darin ein Hauptdarsteller.»
Stört Sie das? Sie haben im «Walliser Boten» heftig reagiert und Bodenmann die Leviten gelesen.
«Bodenmanns Kolumnen lassen mich kalt. Mein Umfeld bleibt jedoch weniger gelassen. Daher habe ich in der WB-Kolumne Bodenmann thematisiert. Selbst Politiker anderer Parteien sagten gegenüber mir, dass er zu weit gehe.»
Bodenmann ist Ihr bester Wahlhelfer. Er attackiert Sie hart und polemisch. Das schliesst die Reihen der Ruppen-Anhänger und mobilisiert Ihre Unterstützer.
«Das ist möglich. Bodenmann ist nicht dafür bekannt, dass seine Strategien aufgehen. Vielleicht ist es diesmal auch der Fall. Ich lese seine Kolumne übrigens oftmals schon, sobald sie online verfügbar ist.»
Dann interessiert Sie eben doch, was Bodenmann schreibt?
«Natürlich. Aber ich rege mich nicht auf. Seit meiner Krankheit nehme ich persönliche Angriffe gelassen zur Kenntnis – selbst wenn sie unter der Gürtellinie sind.»
Das Oberwallis hat derzeit drei von acht Nationalratsmandaten. In der kommenden Legislatur werden es wohl nur noch zwei sein. Welcher der drei amtierenden Nationalräte wird seinen Sitz verlieren?
«Viola Amherd ist mittlerweile Bundesrätin, Roberto Schmidt Staatsrat, zudem fehlen Yannick Buttet und Geraldine Marchand-Balet. Die vier Höchstgewählten der C-Familie sind also nicht mehr am Start. Daher glaube ich, dass die C-Familie einen Sitz verlieren wird. Aber auch wir müssen kämpfen, um die beiden Mandate halten zu können – sie sind nicht in Stein gemeisselt. Trotzdem bin ich optimistisch, weil wir insbesondere im Oberwallis gut aufgestellt sind…»
...dafür weniger im Unterwallis. Jean-Luc Addor tritt auf einer Heimatschutzliste an.
«Das stimmt so nicht. Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass Cyrille Fauchère auf der Hauptliste kandidiert. Aber auch die SVPU hat gute Leute am Start...»
...trotzdem fehlt der Wettbewerb. Das schadet schlussendlich der Partei.
«Natürlich ist Wettbewerb auf einer Liste immer gut. Das gilt nicht nur für die SVP. Die amtierenden Nationalräte haben aber nun mal einen Vorteil. Macht die Partei die notwendigen Stimmen, sind die Bisherigen in aller Regel gewählt, da sie einen Bonus haben. Dies mag dem Wettbewerb auf der Liste abträglich sein. Doch kann die SVP mit zwei amtierenden Nationalräten in den Wahlkampf steigen. Dies kompensiert die im Vergleich zu den Wahlen 2015 weniger grosse Konkurrenz auf der Unterwalliser Liste.»
Auf der Oberwalliser Liste gibt es einen Kampf um den zweiten Platz, weil Sie als künftiger Staatsrat gehandelt werden.
«Vorerst möchte ich als Nationalrat gehandelt werden. Aber ich schliesse nichts aus. Und somit gibt es auch einen Kampf um Platz zwei.»
Zurück zur Ausgangslage. Wankt Egger?
«Wenn die C-Parteien einen Sitz verlieren, wird das wohl derjenige von Egger sein, da die CSPO das schwächste Glied der C-Familie ist. Trotzdem möchte ich festhalten, dass die Differenz zwischen CSPO und CVPO vor vier Jahren nicht riesig war.»
Wie stark ist Bregy?
«Philipp Matthias Bregy ist klar die Nummer 1 bei den Schwarzen. Bregys Handicap mag sein, dass er nur ein Dreivierteljahr Zeit hatte, um sich in Szene zu setzen.»
Und wie stark ist Ruppen?
«Das sollten andere beurteilen – vielleicht nicht unbedingt Peter Bodenmann (lacht). Übrigens haben kürzlich an dieser Stelle sowohl die Parteipräsidentin der CVPO als auch der Präsident der CSPO gesagt, dass sie meine Arbeit in Bundesbern schätzen. Wenn die Konkurrenz einen lobt, hat man sicher nicht alles falsch gemacht.»
Ihr grösster Erfolg in den letzten vier Jahren in Bundesbern?
«Ich konnte zusammen mit Magdalena Martullo-Blocher und Heinz Brand unsere Fraktion davon überzeugen, die Wasserzinsen nicht zu kürzen – obwohl Gilbert Truffer das anders sieht. Ich bin in der Kommission Umwelt, Raumplanung und Energie und konnte hier gute Argumente für die Wasserzinsen und somit das Wallis einbringen. Weiter war ich bei der Revision des Jagdgesetzes an vorderster Front mitbeteiligt und konnte so das Gesetz prägen. Dass der Schutz des Wolfes gelockert wird, ist ein wichtiger Entscheid für unseren Kanton.»
Vielleicht ist es ein Pyrrhussieg. Das Referendum gegen die Jagdgesetzrevision ist angekündigt.
«Es wird ein Referendum geben. Wir sind vorbereitet.»
Zu den Wasserzinsen: Es war ja insbesondere Ihr Parteipräsident Albert Rösti, der diese kürzen wollte. Sie können doch nicht die SVP als Retterin der Wasserzinsen bezeichnen.
«In der SVP gab es klare Mehrheit zur Beibehaltung der Wasserzinsen. Es waren insbesondere die Grünliberalen, die eine Kürzung forderten, aber auch die FDP. Albert Rösti ist nicht nur Präsident der SVP, sondern auch des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes. Wir haben ihn nicht gerade gebodigt – aber zumindest in die Minderheit versetzt.»
Mit welchem Thema wollen Sie die Walliserinnen und Walliser für Ihre Wiederwahl überzeugen?
«Ich setze nicht auf ein Thema, sondern auf vier Schwerpunkte: die Wasserzinsen, das Jagdgesetz, die Raumplanung sowie das Verhältnis der Schweiz zur EU.»
Die Klimapolitik lassen Sie aussen vor?
«Klimapolitik ist wichtig. Aber Sie haben mich nach den Schwerpunkten gefragt.»
Wir haben in diesem Sommer bereits zwei Hitzewellen erlebt. Lässt Sie das kalt?
«Nein. Aber es gab immer schon heisse Sommer. Ich war kürzlich in Italien in den Ferien. Ich habe den Sommer dort bereits heisser erlebt.»
SVP-Vordenker Roger Köppel bestreitet, dass die Erderwärmung massgeblich von uns Menschen verursacht wird. Und Sie?
«Natürlich gibt es den Klimawandel und natürlich hat der Mensch einen Einfluss auf das Klima. Das ist unbestritten. Selbst die Wissenschaft ist sich aber nicht einig, wie viel die Menschheit zur Erderwärmung beiträgt.»
Was sollte man gegen den Klimawandel tun?
«Vorerst ist Eigenverantwortung gefragt. Allein mit Benzinpreiserhöhungen zulasten der Berggebiete und einer unkoordinierten Flugticketabgabe retten wir das Klima nicht – ziehen den Leuten aber das Geld aus dem Sack. Übrigens ist es spannend zu beobachten, dass gerade die junge Generation, die sich den Klimaschutz auf die Fahne geschrieben hat, am meisten fliegt. Selbst die Vizepräsidentin der SP Oberwallis fliegt in die Ferien. Ich war in einer Stunde an meinem Ferienort. Ohne Flugzeug.»
Wo waren Sie?
«In Stresa. Das letzte Mal bin ich vor etwa 20 Jahren geflogen.»
Dann sind Sie ja grüner als mancher Grüner.
«Ich bin gerne in Italien, da brauche ich kein Flugzeug.»
Sie stören sich daran, dass die Grünen und die Linken das Klimathema politisch ausschlachten. Dabei haben Sie jahrelang dasselbe in der Ausländerpolitik gemacht oder wenn es um die EU ging.
«Das kann man nicht vergleichen. Das Verhältnis zur EU ist ein Grundsatzthema der schweizerischen Politik. Und der Rahmenvertrag ist nichts anderes als ein Unterwerfungsvertrag. Es geht um die Zukunft der schweizerischen Demokratie. Es kann nicht sein, dass wir automatisch EU-Recht übernehmen. Unsere direkte Demokratie würde so ad absurdum geführt.»
Die SVP ist gegen das institutionelle Rahmenabkommen mit der EU. Die Folgen wären Handelshürden und Rechtslücken. Für den Wirtschaftsstandort Schweiz ist der Zugang zum europäischen Binnenmarkt zentral.
«Ich bin für bilaterale Verhandlun-gen, wenn beide Partner gleichgestellt sind und sich auf Augenhöhe begegnen. Es kann aber nicht sein, dass die EU Gesetze erlässt und wir diese automatisch übernehmen müssen. Das wäre das Ende der bilateralen Verhandlungen.»
Ein weiteres grosses politisches Thema dieses Wahljahres ist die Gleichstellung von Mann und Frau – ausser für die SVP.
«Das stimmt so nicht. Aber meine Position ist klar: Kompetenzen statt Quoten. Im Dezember wurden zwei starke Frauen in den Bundesrat gewählt. Ohne Quoten. Übrigens geht die SVP erstmals mit einer eigenen Frauenliste an den Start. Und wir haben je eine Frau auf der Haupt- und der Gewerbeliste. Es ist aber nicht immer einfach, Frauen davon zu überzeugen, zu kandidieren.»
Ist Oskar Freysinger eigentlich ein guter Wahlkampfhelfer? Er ist ja SVP-Wahlkampfleiter für die Westschweiz.
«Wir haben unregelmässig Kontakt, er war etwa an der Nominationsversammlung der SVPO anwesend. Direkt in die Kampagne der SVPO ist er jedoch nicht involviert. Unser Oberwalliser Wahlkampfleiter ist Christian Gasser. Wir sprechen uns ab, wenn es darum geht, Anlässe oder Aktivitäten zu koordinieren.»
Freysinger verbreitet eifrigst Verschwörungstheorien. Financier George Soros wolle die Weltherrschaft an sich reissen, er fühle sich als Weltenretter, als Gottmensch. Soros ist Jude. Ist das nicht problematisch?
«Ich habe diese Diskussion nicht im Detail mitverfolgt. Ich habe zusammen mit Freysinger die Partei mit aufgebaut, wir verstehen uns sehr gut. Freysinger ist, wie er ist, er nimmt kein Blatt vor den Mund. Natürlich passt das nicht allen.»
Im Parlamentarier-Ranking der Tamedia wurden Sie als 132. und damit schlechtester Walliser rangiert. Ich weiss: Diese Rankings können heikel sein, weil die Kriterien schwammig sind. Doch steckt nicht in jedem Ranking ein Funken Wahrheit?
«Sie müssen schauen, wie dieses Ranking zustande gekommen ist. Die Aussagekraft ist doch sehr beschränkt. Ich habe in unserer Partei den Lead, wenn es um die Themen Raumplanung, Jagdgesetz und Wasserzinsen geht, und bin im Fraktionsvorstand. In einer grossen Fraktion mit 75 Mitgliedern ist es ungleich schwieriger, sich zu positionieren als in einer kleinen. Und wir haben in Bern mit Abstand die grösste Fraktion. Im Vergleich zum ersten Ranking habe ich übrigens über 60 Plätze gutgemacht. Und wie gesagt: Sowohl die Parteipräsidentin der CVPO als auch der Präsident der CSPO haben gesagt, dass sie meine Arbeit in Bundesbern schätzen. Das sagt mehr aus als solche Rankings.»
Wie stehen Sie zur Macht: Sie sind Präsident der SVP Oberwallis, Präsident von Naters, Nationalrat in Bundesbern. Ein bisschen viel.
«Es geht nicht um Macht, sondern um Verantwortung. Die Schweiz hat ein System, wo Macht meist nicht ausgespielt bzw. missbraucht werden kann. Das Gleichgewicht der Institutionen ist gegeben. Zum Glück.»
Sie sind seit 14 Jahren Parteipräsident der SVPO. Wann geben Sie das Amt ab?
«In den nächsten zwei Jahren. Wir werden nach den Wahlen die Reorganisation der Partei diskutieren müssen. Da geht es auch um das Präsidium.»
Es heisst, Sie hätten gerne die Fäden in der Hand. Sind Sie ein Kontrollfreak?
«Nein, es geht auch nicht um Kontrolle, sondern um sehr viel Arbeit. Derzeit beträgt das Pensum für das Präsidium rund 20 Prozent. Es ist nicht einfach, jemanden zu finden, der dieses Engagement stemmen kann und will. Diese Erfahrung mussten andere Parteien auch machen.»
Ich habe den Eindruck, die SVP hat an Dynamik verloren. Täuscht der Eindruck?
«Er täuscht. Ich war beispielsweise erstaunt, wie viele Kandidaten sich für die Verfassungsratswahlen zur Verfügung stellten. Und wir konnten im letzten Jahr neue Sektionen gründen. Entscheidend sind die Köpfe. Es braucht Leute, die verankert sind. Finden wir diese Leute, werden wir weiter zulegen – selbst wenn sich die CVPO klar nach rechts verschoben hat.»
2012 erkrankten Sie an Lymphdrüsenkrebs. Wie geht es Ihnen heute?
«Es geht mir gut, ich komme gerade von einer Kontrolle. Aber natürlich hat die Krankheit Spuren hinterlassen, sie bleibt im Hinterkopf haften. Doch es gab auch positive Veränderungen. So bin ich gelassener geworden und rege mich nicht mehr so schnell auf – nicht mal wegen Bodenmanns Kolumnen.» (lacht)
Interview: Armin Bregy
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