Infrastruktur | Fünf Nutzungen in einem Gebäude – ein Sanierungsprojekt mit Vorbildcharakter
Binn gewinnt an Attraktivität
Drei Millionen Franken für eine «Schulhaussanierung» für rund zwölf Schüler erscheinen auf den ersten Blick völlig unverhältnismässig: Doch mit dem Umbau wurden in dem Gebäude auch Landschaftspark, Tourismusbüro und Post-agentur einquartiert. Dazu wurde auch das bisherige Restaurant umgebaut.
Die Liste an Herausforderungen in den kleinen Berggemeinden im Wallis ist lang. Viele kämpfen gegen die Abwanderung und um das Überleben von Dorfschule, Dorfbeiz und Dorfladen. Zudem wehren sie sich gegen den schleichenden Abbau von Service-public-Leistungen. Und wenn sie nicht gerade mit hohen Wasserzinseinnahmen gesegnet sind, müssen sie jeden Franken für Investitionen zwei Mal umdrehen.
Bei der Suche nach Lösungen sind die Gemeindebehörden ganz gewaltig gefordert. Einen möglichen Ansatz haben nun die Gemeindeverantwortlichen in Binn aufgezeigt: Ganz nach dem Trend, einzelne Angebote unter einem Dach zu vereinen, wie es vielerorts mit den Poststellen und den Dorfläden passiert, wird das Schulhausgebäude im alten Dorfkern neuerdings gleich in fünffacher Weise genutzt. Das ursprünglich 1820 erbaute Haus, das wie viele Walliser Häuser später aus- und schliesslich 1910 zu einem Schulhaus umgebaut wurde, beherbergt nun neben der Dorfschule auch einen Backoffice-Bereich des Landschaftsparks Binntal sowie einen gemeinsam mit dem Tourismusbüro Landschaftspark Binntal geführten Schalter. Der Park und das Tourismusbüro nutzten bisher separate Gebäude. «Das hat die Gäste immer wieder verwirrt, weshalb sie dann ins falsche Büro hineingegangen sind», so die Geschäftsleiterin des Tourismusbüros Irene Clausen. Da man bereits seit geraumer Zeit über Leistungsvereinbarungen eng zusammenarbeitet und auch eine gemeinsame Homepage betreibt, war eine Zusammenführung der logische Schritt. Im Bistro im Erdgeschoss, dem «Restaurant zur Brücke», betreibt das Tourismusbüro auch einen Postschalter.
Staatsrat machte sich vor Ort ein Bild
Mit der Zusammenführung mehrerer Nutzungen unter einem Dach konnte die Gemeinde das Sanierungsprojekt breiter abstützen und kann so zukünftig auch von den Mieteinnahmen profitieren. Das ausgearbeitete Projekt basiert dabei auf einer Semesterarbeit der Berner Fachhochschule für Architektur, Holz und Bau zum Thema Ortskernsanierungen.
Die Sanierung stand und fiel jedoch mit dem Unterstützungsentscheid des Kantons: Da die Schule bereits seit Jahrzehnten kämpft, um überhaupt auf die Mindestzahl von sieben Schülern zu kommen – und zwischenzeitlich auch darunter lag –, war es nicht in Stein gemeisselt, dass sich der Kanton für eine finanzielle Beteiligung aussprechen würde. Doch der Architekt des Projekts, Diego Clausen, dreipunkt AG, und Marcel Blumenthal, der Adjunkt und stellvertretende Chef der Dienststelle für Unterrichtswesen, überzeugten den damaligen Bildungsminister Oskar Freysinger davon, sich selbst vor Ort ein Bild zu machen. Die Schule durfte bleiben und der Kanton übernahm das übliche Drittel der Schulhaus-spezifischen Investitionen in Höhe von 800 000 Franken. Nachdem das Projekt vom amtierenden Gemeinderat 2016 nochmals ein wenig überarbeitet wurde, da Gemeindepräsidentin Jacqueline Imhof-Schmid für noch mehr Leben in dem Gebäude im Dorfkern sorgen wollte und für das Gebäude eine rein öffentliche Nutzung vorsah, konnte mit dem Bau vor 16 Monaten begonnen werden. Inzwischen arbeiten unter dem Dach sieben touristische Angestellte, zwei bis drei Personen im Bistro und zwei Lehrpersonen. Dazu kommt rund ein Dutzend Schüler. Der Gemeinde Binn gelang es, die Schule im Dorf zu halten und im gleichen Zug das Zentrum zu beleben. Ein Vorzeigeprojekt, womöglich auch für andere Bergdörfer.
Martin Schmidt
Artikel
Kommentare
Noch kein Kommentar