Wirtschaft | Die Distillerie Morand ist die zweitgrösste Schnapsbrennerei der Schweiz und mit ihren Produkten über die Landesgrenzen hinaus bekannt
Im Herzen der Edel-Brennerei
Die Distillerie Morand blickt auf eine uralte Tradition zurück. 1889 eröffnete Gründervater Louis Morand seine erste Destillerie. Mittlerweile wird das Familienunternehmen in der vierten Generation geführt. Und musste in den letzten Jahrzehnten so manche Herausforderung meistern.
Stolz steht sie noch da – die erste Distille, mit der Louis Morand 1889 in Martigny-Bourg seine ersten Schnäpse brannte und auf den Markt brachte. «Immer noch wird sie für die Zubereitung von kleineren Mengen unserer Spezialitäten verwendet», teilt Thierry Manta mit. Der Produktionsleiter von Morand führt stolz durch die Räumlichkeiten. Immer wieder liegt ein Hauch eines Duftes in der Luft – es riecht nach verschiedenen Früchten und Kräutern.
Erfolge an der Weltausstellung
«Wir verwenden pro Jahr etwa 1,5 Millionen Kilogramm der verschiedensten Früchte», teilt Manta mit. Es sind dies eindrückliche Zahlen. Die Anfänge freilich waren bescheiden. Nach einem Rezept, das ihm die Mönche des Hospizes anvertrauten, lancierte Louis Morand den «Liqueur du Grand-St-Bernard» und kreierte eigene Rezepte wie das «Elixir du Cervin» oder den «Liqueur du Simplon». Im Gegensatz zu anderen Destillateuren jener Zeit verarbeitet er Pflanzen und Früchte direkt, ohne jegliche Essenzen oder Extrakte. Dies verschaffte dem jungen Unternehmer einen exzellenten Ruf – auch über die Landesgrenzen hinaus. Sein Liqueur du Simplon gewinnt an der Weltausstellung in Bordeaux 1895 eine Medaille. Louis Morand wird 1900 auch an der Weltausstellung in Paris, 1906 an der Weltausstellung in Mailand und 1914 an der Schweizerischen Landesausstellung in Bern für seine Produkte ausgezeichnet. Das Unternehmen wächst und bezieht 1900 in Martinach die heutigen Räume.
Die Williamsbirne – die Hauptsorte des Wallis
Unter der Leitung von André Morand, Louis’ Sohn, findet bis in die Fünfzigerjahre der Übergang vom Handwerksbetrieb zu einem Industrieunternehmen statt. André Morand baut den Betrieb um, um grössere Mengen produzieren zu können. Allmählich erweitert er die Gebäude und Keller, erneuert Einrichtung und Installationen und sichert so dem Unternehmen, sich im Wallis weiterentwickeln und in der Schweiz und im Ausland neue Märkte erschliessen zu können. Ende der 1940er-Jahre beginnt André Morand ein Eau-de-vie aus Williamsbirnen zu destillieren, dessen delikates, fruchtiges Aroma die Kunden überzeugt. Die Williamine® entsteht. Er lässt die Marke 1953 eintragen und sichert dem Unternehmen das Exklusivrecht des Namens, der ab 1956 international geschützt ist. Die Williamine® wird europaweit rasch das Referenzprodukt für Eaux-de-vie aus Williamsbirnen. Bald ist das Produkt auch im Ausland äusserst erfolgreich. Die Williamine® bedeutet auch einen Aufschwung für den Walliser Obstbau. Zahlreiche neue Plantagen werden mit Williamsbirnen bestückt, die Obstsorte wird zu einer der wichtigsten im Wallis. «Seit 1953 haben wir 150 Millionen Kilogramm Williamsbirnen gebrannt», erklärt Produktionsleiter Thierry Manta.
Schwindende Nachfrage
Nebst der Williamsbirne steht auch die Aprikose im Zentrum des Interesses. Die Firma Morand spielt eine wichtige Rolle bei der Definition der Anforderungen für den Erhalt des Qualitätszeichens AOP für die Abricotine, welche das Label im Jahre 2003 erhalten hat. Ab den 1990er-Jahren schwächt sich die Nachfrage nach Schnäpsen kontinuierlich ab. Mittlerweile ist Louis Morand, Andrés Sohn, als Geschäftsführer tätig, ihm gelingt es dank starker Marktpräsenz, der Wirtschaftslage vorerst zu trotzen. Doch die Verkäufe gehen zurück und die Lager wachsen an. Die Eaux-de-vie und Liköre gelten nicht als lebenswichtige Produkte und sind daher die ersten, die unter der Rezession leiden. Auch die Distribution nimmt ab, denn je länger, je mehr kaufen die Konsumenten bei den Grossverteilern ein.
Neue Ideen sind gefragt
In diesem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld muss sich die vierte Generation ab den 2000er-Jahren bewähren: die schwache Wirtschaftslage, der starke Rückgang des Alkoholkonsums und eine neue Reglementierung der Steuern. Nur wenige mittelgrosse Brennereien überleben. Und 2004 wird auch noch die 0,5-Promille-Grenze für Automobilisten eingeführt. Dadurch gerät der Digestif praktisch komplett aus der Mode und Schnäpse sind nur noch wenig gefragt. 2008 wird eine externe Geschäftsleitung eingesetzt, die Familie Morand bleibt jedoch im operativen Geschäft und im Verwaltungsrat präsent. 2015 konzentriert sich die Geschäftstätigkeit auf die Morand-Produkte und deren Weiterentwicklung: Sirups, Cocktails, Eaux-de-vie mit auf 30 Prozent reduziertem Alkoholgehalt oder Eaux-de-vie in Form von Emulsion. 2015 bedeutet einen neuen Wendepunkt, die Firma Morand übernimmt die Rostal Herbes Aromatiques Grand-St-Bernard SA und knüpft damit an ein traditionelles Produkt des Unternehmens an: den Liqueur du Grand-St-Bernard. Heute tragen die Kräuter Grand-Bernard rund zehn Prozent am Umsatz des Unternehmens bei, die Sirups schlagen mit 30 Prozent zu Buche und die Spirituosen nur noch mit 60 Prozent. «Aber immer noch ist die Williamine unser mit Abstand wichtigstes Produkt und unser Top-Verkaufsschlager. Rund ein Drittel unserer Spirituosenproduktion entfällt auf sie», erklärt Thierry Manta. Dank der eingeleiteten Diversifikation sieht sich das Unternehmen gut gerüstet für die Zukunft. Mittlerweile arbeiten rund 50 Angestellte in der Firma, bei 15 von ihnen handelt es sich um Menschen mit Behinderungen, die im Unternehmen Herbes Aromatiques du Grand St-Bernard Arbeit finden.
Werner Koder
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