Ausstellung | «Albert Nyfeler aus heutiger Sicht» im Alten Werkhof
Chronisten fliessender Welten
14 Künstlerinnen und Künstler setzten sich in den letzten Monaten intensiv mit dem Werk von Albert Nyfeler auseinander. In einer spannenden Ausstellung im Alten Werkhof in Brig sind nun die Werke zeitgenössischer Kunstschaffender in Anlehnung an Albert Nyfelers Werk zu sehen.
In diesem Jahr jährt sich der Todestag von Albert Nyfeler zum 50. Mal. Für den Verein Albert Nyfeler war das Anlass, verschiedene Ausstellungen rund um den Zeichner, Maler, Sammler und Fotografen zu organisieren. Im Theater La Poste in Visp war vom Oktober 2018 bis März 2019 eine Ausstellung zu sehen, die seine Malerei präsentierte. Im Lötschentaler Museum kann «Nyfelers Welt» noch bis im März 2020 betrachtet werden. «Neben dem retrospektiven Blick interessierte mich, wie Albert Nyfeler im zeitgenössischen Schaffen verankert ist», sagt Dino Rigoli, Initiant und Kurator der Ausstellung «Albert Nyfeler aus heutiger Sicht» im Alten Werkhof in Brig. Es entstand die Idee, Visarte-Künstler einzuladen, die mit ihren Arbeiten Bezug zu Nyfeler nehmen und sein Werk zeitgenössisch interpretieren. «Damit stiess ich auf reges Interesse und eine grosse Offenheit bei den Kunstschaffenden.» 14 Künstlerinnen und Künstler setzten sich intensiv mit Albert Nyfeler auseinander. Gustav Oggier, Helga Zumstein, Bernd Kniel, Herbert Theler, Carlo Schmidt, Nikolaus Loretan, Sabine Kaeser, Adelheid Sandhof, Denise Eyer-Oggier, Elisabeth Fux Mattig, Esther Gischig, Jasha Kenneth Schmidt, Micha Bardy und Silke Pankin stellen nun gemeinsam zum Thema aus.
Sammler scheinbar unwichtiger Gegenstände
Albert Nyfelers Werk bietet vielseitige Möglichkeiten der Auseinandersetzung, denn der 1883 in der Nähe von Langenthal Geborene war mehr als der Maler des Lötschentals. Als 23-Jähriger kam er zusammen mit seinen Restauratoren- und Dekorationsmaler-Kollegen zum ersten Mal ins Lötschental: ein Tal, das ihn nie mehr losliess. Zwischen 1922 und 1923 baute er ein selbst entworfenes Atelierhaus in Kippel. In der Zeit seines Schaffens entstanden Tausende von Ölbildern, Skizzen, Zeichnungen, Aquarellen und Fotografien. Sie zeigen das Leben und Schaffen der Lötschentalerinnen und der Lötschentaler beim Handwerk, bei der Feldarbeit, bei Festen und Bräuchen, subtile Porträts und vor allem Landschaften. «Er sammelte scheinbar unwichtige Gegenstände aus den Haushalten, ohne wahrscheinlich wirklich zu wissen, dass sie später Altertumswert haben und Zeugen von vergangenen Zeiten sind. Vielleicht hat er es mit seinen künstlerischen Augen gesehen, mindestens aber sah er Schönheit und Form, Farbe und Material. Dadurch entstand eine ethnologisch wertvolle Sammlung, die später den Grundstock des Lötschentaler Museums bildete», sagte Dino Rigoli. Diese Vielseitigkeit bot den zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern ein weites Feld. In den letzten Monaten näherten sie sich auf individuelle Art und Weise dem Nachlass Nyfelers. Sie besuchten das Atelier, stöberten in Skizzen und Zeichnungen oder besuchten das Lötschentaler Museum und stiessen dort auf Inspirierendes.
Der Künstlerin Elisabeth Fux Mattig wurde der Zugang zu Nyfeler quasi in die Wiege gelegt. «Ich bin mit einem Nyfeler-Bild aufgewachsen. Meine Eltern erhielten das Bild eines Baumes als Hochzeitsgeschenk», erzählt sie. Faszinierend an Nyfeler findet sie, dass er draussen in der Natur gearbeitet hat. «Er stieg mit Leinwand und Staffelei die Berge hoch und malte bei Wind und Wetter.» Sie habe das auch schon versucht, es sei ihr aber nie gelungen, ein Werk unter diesen Umständen zu vollenden, sagt Elisabeth Fux Mattig lachend. Trotzdem zog sie ihre künstlerische Tätigkeit in die Berge. Sie begab sich zusammen mit weiteren Kunstschaffenden mehrere Tage in die Höhe. Dort gestaltete sie «LandArt». «Ich denke, dass ich auf diese Weise das Gefühl von Nyfeler, inmitten von Bergen zu malen, nachvollziehen kann.» Die vergängliche Kunst von Elisabeth Fux Mattig bleibt eine Weile in der Landschaft bestehen und geht dann wieder in sie über. In der aktuellen Ausstellung zeigt sie Fotos dieser flüchtigen Arbeiten.
Einen ganz anderen Ansatz wählte der Künstler Nikolaus Loretan. Er befasste sich allgemein mit den Bildern Nyfelers und reduzierte die Bilder auf deren Farben. «Ich wählte kein bestimmtes Werk aus, sondern nahm die Farben, mit denen Nyfeler arbeitete, zum Thema», erklärt Nikolaus Loretan. Diese Farbpalette übersetzte er in eine freie Farbarbeit.
Von Kartoffelschälerin zu «Couch-Potatos»
Helga Zumstein traf in der Nyfeler-Ausstellung im Theater La Poste auf das Bild der Kartoffelschälerin Aloisia Lehner. «Dieses Bild berührte mich mehr als die Landschaften. Die Berge habe ich vor der Haustür, die erregten meine Aufmerksamkeit weniger. Aber diese Frau weckte mein Interesse», sagt Helga Zumstein. Zu diesem Bild schuf sie für die Ausstellung ein Pendant. Wurden damals aus Kartoffeln «Gschwellti», Bratkartoffeln oder Rösti gemacht, sind sie heute das Basisprodukt, um Pommes-Chips, Pommes Duchesse oder Pommes frites herzustellen. In der heutige Zeit macht zudem der Begriff «Couch-Potato» die Runde, also das Klischee einer Person, die einen Grossteil ihrer Freizeit auf einem Sofa mit Fernsehen und Junkfood-Essen verbringt. Und so stellt Helga Zumstein Nyfelers Kartoffelschälerin Aloisia Lehner auf dem Ofenbänklein in der Ausstellung einem modernen Pommes frites essenden «Couch-Potato» auf einem Corbusier-Sessel gegenüber.
Gustav Oggier hat sich im Vorfeld im Nyfeler-Atelier in Kippel umgeschaut. Dabei stiess er auf Geräte und Objekte, mit denen Nyfeler gearbeitet hatte. Darunter ein Schädel und ein Projektor. Zu diesem Thema schuf er kleinformatige Mezzotinto-Tiefdrucke. «Ich kombinierte die Objekte mit einem Foto der ersten Mondlandung. Die Lötschentaler werden manchmal als hinter dem Mond lebend belächelt. Was natürlich überhaupt nicht stimmt. Die Lötschentaler haben ein wunderbares Museum, sind fortschrittlich und leben ihre Traditionen. Das hat mich beeindruckt und das kommt in meinen Arbeiten zum Ausdruck», sagt Oggier. Weitere Motive, die er in Blindprägungen umsetzte, fand er in Nyfelers Skizzenblättern.
Begrenztes weicht Weltumspannendem
Albert Nyfeler bildete mit seinen Fotografien das Leben der Lötschentaler Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts ab. Carlo Schmidt zeigt eine Installation, bei der Bilder des heutigen Lötschentaler Alltagslebens enthalten, jedoch unsichtbar sind. Dazu sammelte er Bilder, die Lötschentaler auf Facebook gepostet hatten. Diese Fotos schweisste er in ein Material unserer Zeit ein – Plastik – und brachte alles zusammen in eine künstlerische Form, die an einen Server-Arm eines gigantischen Rechenzentrums erinnert. Vielleicht wird man in ein paar Jahrzehnten sein Werk zerstören. Dann werden die Bilder der Lötschentaler in den frühen 2000er-Jahren zum Vorschein kommen.
«Ich bin erfreut, was aus der Auseinandersetzung der Visarte-Kunstschaffenden mit Nyfelers Werk entstand. Die breite Palette von Ausdrucksmöglichkeiten fügt sich zu einer spannenden, sehenswerten Ausstellung», sagt Kurator Dino Rigoli.
Nathalie Benelli
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