Affäre Rossier | Attacken von SP und SVP. Konter von CVP. Mittendrin: Jacques Melly
Staatsrat in Schusslinie

Wankt Melly? Staatsrat Jacques Melly erlebt turbulente Zeiten. Weitere werden wohl noch folgen.
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Die SVP Unterwallis publiziert den Bericht Rossier auf ihrer Website. Die SP fordert den Rücktritt von Staatsrat Jacques Melly. Die CVP spricht von respektlosen Angriffen.
Jacques Melly erlebt schwierige Zeiten. Die schwierigsten seit seinem Amtsantritt vor zehn Jahren. Ursprung der Turbulenzen sind die Berichte des freigestellten Chefs der Dienststelle für Umwelt. In diesen prangert Joël Rossier die «Dysfunktionalität» der Walliser Umweltbehörde an. Sie sei unfähig, ihre Funktion zu erfüllen, sagte Rossier und beklagte die fehlende Unterstützung durch die politische Führung sowie die Nichtbesetzung wichtiger Stellen. Rossier wurde daraufhin freigestellt. Weil das Vertrauensverhältnis nicht mehr intakt sei, argumentierte der Kanton. Ruhe kehrte im Departement Melly nicht ein. Im Gegenteil.
SP: Vertrauen verspielt
Am Mittwoch forderte die SP Unterwallis via Facebook den Rücktritt des CVP-Staatsrats. Die SP Oberwallis schliesst sich an. Präsident Gilbert Truffer sagt, dass die Rücktrittsforderung der Unterwalliser Genossen mit der SP Oberwallis abgesprochen sei. Melly habe gleich mehrfach gelogen, so die harsche Kritik. Die Sozialdemokraten berufen sich dabei auf Unterlagen, die zeigen, dass der Staatsrat Kenntnis von Rossiers Vorwürfen hatte. Jacques Melly hatte dies öffentlich indes gleich mehrfach bestritten. So habe der Departementschef das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger verspielt, schreibt die SP, Mellys Demission sei der einzige Ausweg aus dem Dilemma.
Nicht nur die Linke, auch die Unterwalliser SVP nimmt den Siderser Staatsrat ins Visier – und veröffentlichte am 4. Dezember eine kompilierte Fassung des Berichts Rossier auf ihrer Webseite. Insgesamt 512 Seiten. Sie zeigen, so die SVP, wie das Departement für Mobilität, Raumentwicklung und Umwelt funktioniere – oder eben nicht. Copinage und Filz seien allgegenwärtig. So prangert die Partei von Präsident Cyrille Fauchère etwa das Vorgehen des Kantons im Fall der Kläranlage in Wiler an. Die staatlichen Juristen hätten zwei Oberwalliser Anwälte juristisch beraten – und das in einem Zivilverfahren. Bei den Anwälten handelt es sich um Mellys Parteikollegen Beat Rieder und Philipp Matthias Bregy. «Die CVP weiss das sicherlich zu schätzen. Die Steuerzahler weniger», schreibt die Partei.
Rechtsexperten sagten ge- genüber dem «Nouvelliste» indes, dass das Vorgehen üblich sei. Der Staat müsse auf Anfragen von Gemeinden und Bürgern reagieren. Bestätigt wird dies von Thierry Largey, Professor für Verwaltungsrecht an der Universität Lausanne und ehemaliger Präsident der Fraktion der Grünen im Walliser Parlament. Unerwartete Schützenhilfe für den angeschlagenen Staatsrat.
Gemässigter als Fauchère steigt Parteikollege Michael Graber ins Gefecht. Bevor er sich ein Urteil erlaube, müsse er die Unterlagen analysieren und anschliessend mit seiner Partei diskutieren, so der Fraktionschef der SVP Oberwallis. Auffallend: Allgemein wird das Dossier Rossier im Oberwallis mit mehr Zurückhaltung kommentiert als westlich der Raspille.
CVP: Schamlose Angriffe
Mellys Partei, die CVP Unterwallis, reagierte auf die Attacken von links und rechts mit einer geharnischten Medienmitteilung. Die Angriffe auf den Staatsrat seien scham-
und respektlos, schreiben die Christdemokraten. Es gehe einzig um die Wahlen im kommenden Jahr. Die Anfeindungen müssten als Angriff auf die drei CVP-Sitze in der Walliser Regierung gewertet werden. Die CVPU unterstütze Melly und habe volles Vertrauen in seine Fähigkeiten. «Wir finden es beschämend, wie die Bürgerinnen und Bürger getäuscht und Zweifel an der Integrität unserer Institutionen geweckt werden», verteidigt die CVPU ihr Regierungsmitglied.
Fazit: Ein politischer Schlagabtausch à la valaisanne, der in der Grossratssession von kommender Woche seine Fortführung finden könnte. Auch die Geschäftsprüfungskommission beschäftigt sich derzeit intensiv mit dem Dossier Rossier. Der Bericht wird im Sommer 2020 erwartet. Die nächsten Staatsratswahlen sind im März 2021. Melly wird in den kommenden Monaten in der Schussilinie bleiben.
«Inakzeptabel»
Jacques Melly, die SP Unterwallis beschuldigt Sie der Lüge.
«Ich habe nicht gelogen. Die Haltung der SP Unterwallis ist inakzeptabel. Im Gegensatz zur Behauptung der SP habe ich nie gesagt, dass ich ‹keine Kenntnis von einem Bericht Rossier habe›. Ich habe lediglich bestätigt, dass der Staatsrat nicht die der Finanzinspektion vorgelegten Berichte erhalten hat, sondern lediglich eine Kopie des Schreibens von Joël Rossier, in dem er sie erwähnt. Wie Joël Rossier selbst in diesem Schreiben festhält, wurden die Berichte nicht an den Staatsrat übergeben. Wie Rossier in seinem Schreiben weiter erwähnt, habe ich als Vorsteher des Departements für Mobilität, Raumplanung und Umwelt in der Tat viele Berichte erhalten, die mit Joël Rossier diskutiert wurden und von denen einige Teil der Dokumente sind, die an die Finanzkontrolle übergeben wurden. Und das habe ich nicht bestritten.»
Und was sagen Sie zur Rücktrittsforderung der SP Unterwallis?
«Eine Rücktrittsforderung, die auf Aussagen beruht, welche ich nicht gemacht habe, ist nicht seriös. Das ist politischer Opportunismus.»
Wieso haben Sie im Bericht Rossier nicht transparenter agiert?
«Die Kommunikation im Rahmen von laufenden Verfahren ist oft aufgrund verfahrensrechtlicher Vorschriften nicht möglich. Wir haben seit dem 11. Oktober 2019 – also nach dem Abschluss des Verfahrens betreffend Freistellung von Herrn Joël Rossier – offen und transparent kommuniziert in den Bereichen, welche nicht von den laufenden Untersuchungen der GPK und des Finanzinspektorates betroffen sind. Dabei haben wir den Medienvertretern einen Fragenkatalog mit über 60 Fragen und später tägliche Anfragen offen und transparent beantwortet. Der Staatsrat seinerseits gewährte nach der Anonymisierung durch den Datenschutzbeauftragten Zugang zu den Akten über das Verwaltungsverfahren, das zur Freistellung von Herrn Rossier führte.»
Armin Bregy
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