Proteste | Massive Kritik an Regierung
Tausende Menschen demonstrieren in Moskau für freie Wahlen
Eine Woche vor der Kommunalwahl haben in Moskau erneut Tausende Menschen demonstriert. Sie versammelten sich am Samstag trotz eines Verbots, um faire und freie Wahlen einzufordern. Anders als in den Vorwochen hielt sich die Polizei diesmal zurück.
Die Polizei liess die Demonstranten durch das Zentrum der russischen Hauptstadt ziehen. Berichte über Festnahmen gab es nicht. Reporter sprachen von einer friedlichen und entspannten Atmosphäre.
Zu der als Spaziergang deklarierten Protestaktion rief eine der führenden Oppositionellen, Ljubow Sobol, auf. Sie nahm an dem Marsch teil, umringt von vielen Journalisten. Sie sagte: "Die wichtigste Forderung ist die Freilassung politischer Gefangener." Sie ermunterte die Moskauer, Wahlbeobachter bei der Abstimmung kommenden Sonntag zu werden. "Haben Sie keine Angst! Wir werden siegen!"
Änderung der Taktik?
Die Staatsanwaltschaft hatte Sobol zuvor gewarnt, die Proteste seien unzulässig. Im Falle eines Verstosses werde sie zur Verantwortung gezogen. Es war deshalb mit Festnahmen gerechnet worden. Die kremlkritische Zeitung "Nowaja Gaseta" spekulierte danach, ob die Polizei ihre Taktik nur mit Blick auf die anstehende Wahl vorübergehend geändert habe, um ein "gutes Bild" entstehen zu lassen.
Kremlkritiker Alexej Nawalny blieb der Demonstration fern. Auf Twitter begründete er dies mit einer drohenden neuen Festnahme. Er warb stattdessen für ein "kluges Abstimmungsverhalten" bei der Wahl, um eine Mehrheit kremltreuer Kräfte im Stadtparlament zu verhindern. "Sie müssen so viele Menschen wie möglich davon überzeugen."
Die Polizei sprach von 750 Teilnehmern bei dem Protestmarsch. Beobachter gingen jedoch von einer deutlich höheren Zahl aus. Fast zeitgleich hätten dagegen rund 90'000 Menschen ein von der Stadt organisiertes Musikfestival besucht, meldete die Agentur Interfax.
Die Demonstranten skandierten auf ihrem Weg zum Puschkin-Platz zum Beispiel "Das ist unsere Stadt". Mit Blick auf Präsident Wladimir Putin riefen sie etwa "Russland ohne Putin" und "Putin ist ein Dieb!". Auf Plakaten wurde gefordert, inhaftierte Oppositionelle und Demonstranten freizulassen. Viele Autofahrer hupten aus Solidarität.
Die Behörden hatten zuletzt mehrere von Oppositionellen angemeldete Demonstrationen untersagt und nur eine Kundgebung ausserhalb des Stadtzentrums genehmigt. Dies aber lehnten die Organisatoren ab. Sie scheiterten mit einem Einspruch vor Gericht. An den vorangegangenen beiden Wochenenden hatte es einzelne Mahnwachen gegeben.
Bei nicht erlaubten Aktionen hatte die Polizei von Ende Juli bis Mitte August Tausende Demonstranten in Gewahrsam genommen. Das sorgte international für Kritik. Auch in anderen Städten gingen Menschen aus Solidarität für das Anliegen der Moskauer Opposition auf die Strassen.
Für faire Wahlen
Sie will mit den Protesten erreichen, dass alle Kandidaten zur Stadtratswahl am 8. September zugelassen werden. Regierungskritiker sind dort wegen angeblicher Formfehler bei ihren Anträgen nicht zugelassen. Dazu gehören neben Sobol auch die prominenten Kremlkritiker Ilja Jaschin und Dmitri Gudkow. Zum anderen prangern die Demonstranten die Polizeigewalt gegen friedliche Teilnehmer an.
Einflussreiche Oppositionelle sassen zuletzt Arreststrafen ab. Während Nawalny vor gut einer Woche nach einer 30-tägigen Arreststrafe wieder freikam, wurde Jaschin am vergangenen Mittwoch nach seiner Freilassung direkt am Gefängnis wieder festgenommen. Ein Gericht verurteilte ihn wenig später erneut zu zehn Tagen Arrest.
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