Coronavirus | Reisegruppe und Hotelmitarbeiter untersucht
Italien ruft wegen Coronavirus Notstand aus
Italien hat nach zwei bestätigten Coronavirus-Fällen im eigenen Land den Notstand ausgerufen. Dieser solle sechs Monate gelten, teilte die Regierung in Rom nach einer Entscheidung des Ministerrats am Freitag mit.
Bei zwei Touristen aus China war am Vortag das Coronavirus festgestellt worden. Sie waren in einem Hotel im Zentrum von Rom untergebracht, unweit des Kolosseums und der Kaiserforen. Das Paar, das aus Wuhan kommen soll, ist nun auf einer Isolierstation in der italienischen Hauptstadt. Zudem wurden in dem Spital andere Teilnehmer der Reisegruppe und Hotelmitarbeiter untersucht.
Der Notstand wird in Italien oft nach Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Überschwemmungen ausgerufen, um eine besondere Koordinierung der Einsatzkräfte zu gewährleisten und Bürokratie zu vermeiden. Er kann auch bei schwerwiegenden Ereignissen im Ausland erklärt werden, an denen der italienische Zivilschutz direkt beteiligt ist.
Italien hat nach eigenen Angaben als erstes Land der EU alle Flüge von und nach China gestoppt. Was mit den zahlreichen chinesischen Touristen in Italien geschehen soll und wie sie nach Hause reisen sollen, war unklar.
In Rom ging derweil die Angst vor Ansteckungen um. An einer Bar in der Nähe des Trevi-Brunnens hing nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa ein Schild, das Chinesen aufforderte, draussen zu bleiben.
Was über die Gefährlichkeit des neuartigen Virus bisher bekannt ist
Angesichts der rasanten Ausbreitung des neuartigen Coronavirus aus China hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Donnerstagabend den internationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. Mit bald 10'000 Patienten allein auf dem chinesischen Festland und mehr als hundert Infektionsfällen in rund 20 weiteren Staaten liegt die Zahl der Infizierten bereits höher als bei der Sars-Epidemie 2002 und 2003. Wie gefährlich aber ist das Virus tatsächlich?
Eine Frage der Relationen
Selbst wenn Experten davon ausgehen, dass sich in Wahrheit schon Zehntausende in China mit dem Erreger 2019-nCoV angesteckt haben, ist die Zahl im Verhältnis zu Chinas 1,4 Milliarden Einwohnern noch überschaubar.
Die genaue Sterblichkeitsrate von 2019-nCoV lässt sich derzeit nicht zuverlässig beziffern. Bislang liegt sie nach Angaben des WHO-Experten Michael Ryan bei rund zwei Prozent der nachgewiesenen Infizierten. Da die Zahl der Infizierten proportional jedoch rascher steigt als die Zahl der Toten, könnte die Sterblichkeitsrate weiter sinken.
Damit scheint 2019-nCoV deutlich weniger gefährlich zu sein als die ebenfalls durch Coronaviren ausgelösten Krankheiten Sars und Mers. An Sars (Severe acute respiratory syndrome) erkrankten in den Jahren 2002/2003 nach offiziellen Angaben 8096 Menschen. 774 von ihnen starben, die meisten in Festland-China und Hongkong. Die Sterberate betrug 9,5 Prozent.
An Mers (Middle East respiratory syndrome coronavirus) erkrankten seit September 2012 insgesamt 2494 Menschen, 858 von ihnen starben. Damit liegt die Sterberate bei diesem Virus bei 34,5 Prozent.
Noch viel häufiger als Sars, Mers und 2019-nCoV sind Infektionen mit dem Influenza-Virus, die tödlich enden können. Weltweit sterben WHO-Schätzungen zufolge jährlich zwischen 290'000 und 650'000 Menschen an der saisonalen Grippe.
Die Symptome
Nach einer Analyse der ersten 99 Fälle in der Fachzeitschrift "The Lancet" litten alle Patienten an einer Lungenentzündung. Die meisten hatten Fieber und Husten, ein Drittel klagte über Atembeschwerden. Das Durchschnittsalter der 99 Patienten lag bei 55 Jahren; zwei Drittel waren Männer, und die Hälfte litt an chronischen Vorerkrankungen wie etwa Diabetes oder Herzkreislaufproblemen.
Nach den Worten von Michael Ryan kann aber auch ein "verhältnismässig wenig aggressives Virus grosse Schäden anrichten, wenn sich viele Menschen anstecken". Sorge bereitet den Gesundheitsexperten zudem, dass sich das Virus in Afrika oder anderen Ländern mit schlechter Gesundheitsversorgung ausbreiten und dort zu massiven Epidemien führen können.
Unsicherheitsfaktoren
Bei 2019-nCoV gibt es aber einige Faktoren, welche die Eindämmung des Virus behindern. So ist der genaue Übertragungsweg noch unbekannt. Unterschiedlichen Studien zufolge könnten Schlangen oder Fledermäuse die Überträger sein. Hinzu kommt die Mensch-zu-Mensch-Übertragung.
Das Risiko einer Ausbreitung erhöht sich auch dadurch, dass das Virus chinesischen Behördenangaben zufolge schon während seiner bis zu zwei Wochen dauernden Inkubationszeit übertragen werden kann - also noch bevor ein Infizierter Symptome aufweist. Allerdings basieren die Angaben bislang nur auf einigen Beobachtungen - eine wissenschaftliche Bestätigung gibt es bislang nicht.
Erschwerend kam hinzu, dass das Virus während des massiven Reiseverkehrs in der Volksrepublik anlässlich des chinesischen Neujahrsfests am vergangenen Samstag auftrat. Nach Angaben des Bürgermeisters von Wuhan, von wo das Virus seinen Ausgang nahm, hatten fünf der elf Millionen Einwohner dort zum Neujahrsfest die Stadt verlassen und konnten den neuen Erreger so in andere Teile des Landes tragen.
Experten und Behörden warnen überdies, dass Coronaviren wie 2019-nCoV leicht mutieren und so womöglich noch leichter übertragen werden oder noch aggressiver wirken könnten. Die US-Behörde für Seuchenkontrolle (CDC) teilte am vergangenen Montag (Ortszeit) allerdings nach einem Vergleich der Gensequenz der ersten 2019-nCoV-Proben mit neueren Fällen mit, dass das Virus bislang offenbar nicht mutiert sei.
Infizierte Person steckt durchschnittlich zwei Menschen an
Berner Forscher haben mit Hilfe eines Hochleistungsrechners herausgefunden, dass eine mit dem Coronavirus infizierte Person durchschnittlich ungefähr zwei weitere Personen infiziert. Zu Beginn der Epidemie lag dieser Wert "mit grosser Sicherheit" bei 1,4 bis 3,8 Personen.
Solange der Wert über 1 liegt, besteht laut einer Mitteilung der Universität Bern vom Freitag das Risiko einer weltweiten Ausbreitung des Coronavirus, also einer sogenannten Pandemie.
Epidemiologen sprechen auch von der sogenannten Basis-Reproduktionszahl R0. Ist diese Zahl grösser als eins, kann sich das Virus weiter von Mensch zu Mensch ausbreiten. In diesem Fall ist es nötig, die Reproduktionszahl mit Kontrollmassnahmen zu senken, um eine Pandemie zu verhindern.
Britische Forscher des Imperial College London waren kürzlich im Zusammenhang mit dem Coronavirus auf eine Reproduktionszahl von durchschnittlich 2,6 gekommen.
Verbreitung ähnlich dem Sars-Virus. . .
In der Mitteilung der Universität Bern wird der Epidemiologe Christian Althaus mit den Worten zitiert, die Ausbreitung des Coronavirus ähnelte denjenigen des im Jahr 2003 aufgetretenen Sars-Virus.
"Falls es sich bestätigt, dass sich das neue Coronavirus wie Sars verhält, muss man mit dem Auftreten von sogenanntem Superspreading rechnen", sagt Althaus laut der Mitteilung. Das würde bedeuten, dass in seltenen Fällen einzelne Personen eine sehr hohe Anzahl Neuansteckungen verursachten.
Auf der anderen Seite würden jedoch die meisten infizierten Personen gar keine weiteren Personen infizieren, womit es leichter wäre, neue Epidemieherde einzudämmen.
"Im Moment ist es (. . .) zentral zu verhindern, dass sich neue Übertragungsketten in Ländern ausserhalb Chinas bilden können", sagt Althaus. Sobald sich das Virus in einem weiteren Land festsetzen würde, sei es schwierig, eine globale Ausbreitung zu verhindern.
"Die strengen Massnahmen, welche in China getroffen wurden, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern, haben die Reproduktionszahl höchstwahrscheinlich gedrückt. Ob diese Massnahmen ausreichen, um eine weltweite Pandemie zu verhindern, werden die folgenden Wochen zeigen", sagt Althaus weiter.
. . .und von Grippepandemien
Den Berner Forschern zufolge verhält sich das aktuelle Virus aber auch wie bei einer pandemischen Influenza, also einer Grippepandemie wie in den Jahren 1918 oder 2009.
Wenn das so wäre, halten die Berner Forscher fest, wäre es viel schwieriger, eine weitere Ausbreitung zu verhindern. In diesem Fall steckten infizierte Personen nämlich immer etwa gleich viele Personen an, was zu gleichmässigen Übertragungsketten führe, welche sehr schwierig einzudämmen seien.
Die Ergebnisse der Forscher des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) der Universität Bern wurden im Fachjournal Eurosurveillance des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) veröffentlicht.
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