Parteien | Nach der gescheiterten Regierungsbildung in Thüringen wird auch dort der Ruf nach Neuwahlen laut
In Hamburg stehen die Zeichen weiter auf Rot-Grün
Die deutschen Sozialdemokraten hatten in den vergangenen Jahren wenig zu feiern. Bei den Bundestags- und Europawahlen verloren sie massiv Stimmen. Sie taumelten von einer Führungskrise in die nächste.
In deutschlandweiten Umfragen steht die einstige Kanzlerpartei SPD derzeit bei unter 15 Prozent, in einigen Bundesländern notiert sie gar nur einstellig. Zumindest im Norden des Landes winkt nun die Chance auf einen Wahlsieg.
Am kommenden Sonntag wird in Hamburg die Bürgerschaft - das Parlament des Stadtstaats - neu gewählt. In ihrer traditionellen Hochburg dürften die Sozialdemokraten trotz deutlicher Stimmenverluste im Vergleich zur Wahl 2015 stärkste Kraft bleiben.
Bürgermeister Peter Tschentscher könnte dann seine Koalition mit den Grünen fortsetzen, die aus der Wahl deutlich gestärkt hervorgehen dürften. Hamburg ist derzeitig das einzige noch von einer rot-grünen Koalition regierte Bundesland in Deutschland - und könnte dies auch bleiben.
Mit 1,85 Millionen Einwohnern ist der reiche Stadtstaat nach der Bevölkerungszahl das viertkleinste der deutschen Bundesländer. Die Wahl am Sonntag ist nach dem bisherigen Wahlkalender die einzige eines Landesparlaments in Deutschland in diesem Jahr. Dies könnte sich jedoch noch ändern, denn die Hamburgwahl fällt in politisch bewegte Zeiten.
Nach der gescheiterten Regierungsbildung in Thüringen wird auch dort der Ruf nach Neuwahlen laut. In dem ostdeutschen Bundesland war der FDP-Politiker Thomas Kemmerich am 5. Februar überraschend zum Ministerpräsidenten gewählt worden - weil ausser den Christdemokraten auch die Abgeordneten der weit rechts stehenden AfD für ihn stimmten.
Eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten hatten aber alle Parteien zuvor ausgeschlossen, und so trat Kemmerich nach einem Aufschrei der Empörung nach wenigen Tagen zurück. Im Gefolge der Thüringer Ereignisse kündigte auch die CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ihren Rückzug an. Ihr war Führungsschwäche angekreidet worden.
Grüne machen sich Hoffnungen
Unklar ist nun, wie stark sich die Thüringer Ereignisse auf die Hamburgwahl auswirken werden. Die CDU hat sich von ihrem Wahldesaster 2015, als sie auf 15,9 Prozent abstürzte, nie erholt und könnte laut Umfragen sogar noch etwas abrutschen. Die Liberalen notieren knapp über der Fünf-Prozent-Hürde.
Die fremdenfeindliche AfD ist im weltoffenen Hamburg mit Umfragewerten um 7 Prozent nur etwa halb so stark wie auf nationaler Ebene. Die dominanten Parteien sind SPD und Grüne, die seit 2015 gemeinsam regieren.
Die Grünen haben seit der Bundestagswahl 2017 in Deutschland stark zugelegt. Bei der Europawahl 2019 wurden sie in neun der zehn grössten deutschen Städte stärkste Kraft. Und so schien es möglich, dass sie in Hamburg auch bei der Bürgerschaftswahl die SPD als stärkste Kraft überflügeln würden.
Grünen-Chefin Katharina Fegebank, bisher als Zweite Bürgermeisterin Tschentschers Stellvertreterin, machte sich Hoffnungen, Regierungschefin an der Alster zu werden. "Wer Lust auf Veränderungen hat, der geht mit uns", sagte sie im Januar in einem Interview des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel".
Amtsbonus wirkt
Tschentscher hatte erst vor knapp zwei Jahren die Nachfolge des populären Bürgermeisters Olaf Scholz angetreten, der Finanzminister in Berlin wurde. Nun scheint auch bei Tschentscher der Amtsbonus zu wirken. Denn seit Mitte Januar ist die SPD in den Umfragen den Grünen wieder davongezogen. Zuletzt lagen die Genossen bei 37 bis 38 Prozent, die Ökopartei bei 23 bis 25 Prozent.
Durch Hafen und Handel wohlhabend geworden, ist das im Vergleich zu Berlin viel vornehmere Hamburg eine der reichsten Regionen Europas. Die Sozialdemokraten sind dort traditionell wirtschaftsfreundlich und stellten, von zwei CDU-Intervallen abgesehen, alle Bürgermeister seit dem Zweiten Weltkrieg. Im Wahlkampf ging es jetzt auch darum, wie weit Autos aus der Hamburger Innenstadt verbannt werden sollen.
Die Auswirkungen des Thüringen-Eklats bekam die FDP zu spüren. Mehr als 800 ihrer Wahlplakate wurden zerstört oder beschmiert. Die AfD wiederum muss ihre Wahlkampfabschlussveranstaltung ausserhalb Hamburgs abhalten. Im Stadtstaat wollte ihr niemand einen Raum vermieten.
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