Brexit | Mit Grossbritanniens Austritt schrumpft die EU um 66 Millionen Einwohner

Historischer Abschied von einem EU-Schwergewicht

Grossbritannien verlässt am 31. Januar nach 47 Jahren die EU.
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Grossbritannien verlässt am 31. Januar nach 47 Jahren die EU.
Foto: Keystone

Quelle: SDA 26.01.20 0
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Mit dem Brexit verliert die Europäische Union (EU) erstmals in ihrer Geschichte einen Mitgliedstaat.

Grossbritannien verlässt am 31. Januar nach 47 Jahren die Staatengemeinschaft. Durch eine Übergangsphase bleiben viele Auswirkungen zunächst nicht spürbar, für die EU ist der Austritt aber schon jetzt ein schwerer Schlag.

Einer der grössten EU-Staaten geht

Mit Grossbritanniens Austritt schrumpft die EU um 66 Millionen Einwohner. Die verbleibenden 27 EU-Staaten kommen dann noch auf eine Gesamtbevölkerung von rund 446 Millionen Menschen. Flächenmässig verliert die EU rund 5,5 Prozent ihres Gebietes und zudem ihre zweitgrösste Volkswirtschaft nach Deutschland.

Während Übergangsphase noch im Binnenmarkt

In einer Übergangsphase bis zum 31. Dezember 2020 bleibt Grossbritannien noch im EU-Binnenmarkt und der Zollunion, um einen harten Schnitt für die Wirtschaft zu vermeiden. Waren und Dienstleistungen können damit von Unternehmen auf beiden Seiten problemlos in- und exportiert werden wie bisher. Während der Übergangszeit wollen die EU und London ein Handelsabkommen und weitere Vereinbarungen zu den künftigen Beziehungen ausarbeiten.

Beitragszahler ohne Stimmrecht

Grossbritannien hat während der Übergangsphase in den EU-Gremien kein Stimmrecht mehr und nimmt normalerweise nicht an deren Sitzungen teil. An den Beitragszahlungen an die EU ändert sich bis Ende 2020 nichts. Das Vereinigte Königreich zahle genauso weiter "als wäre es ein Mitgliedstaat", erklärt die EU-Kommission. Schmerzhaft spürbar wird der Verlust des nach Deutschland zweitgrössten Nettozahlers für die EU erst nach der Übergangsphase.

Kein Zurück mehr beim Brexit

Mit dem 31. Januar verliert Grossbritannien die Möglichkeit, den Brexit-Antrag bei der EU durch eine einseitige Erklärung zurückzunehmen. Das Vereinigte Königreich ist dann endgültig "draussen". Sollte es später wieder Mitglied werden wollen, gilt das übliche Aufnahmeverfahren nach Artikel 49 EU-Vertrag. Nach erfolgreichen Beitrittsverhandlungen müssten der Aufnahme alle Mitgliedstaaten zustimmen sowie das Europaparlament und nationale Parlamente. Der Prozess kann Jahre dauern.

EU aussen- und sicherheitspolitisch geschwächt

Nach dem Brexit zählt die EU mit Frankreich nur noch eine Atommacht und ein ständiges Mitglied des Uno-Sicherheitsrats in ihren Reihen. Die Briten können auch weiter an EU-Militäreinsätzen teilnehmen, aber nicht mehr deren Führung übernehmen oder Hauptquartiere stellen. Wie sich Grossbritannien nach dem Brexit aussen- und sicherheitspolitisch orientiert und ob es sich womöglich eher an den USA ausrichtet, ist eine der grossen Fragen in der EU.

EU-Parlament wird kleiner

Die 73 britischen EU-Abgeordneten verlieren zum 1. Februar ihren Job. Das EU-Parlament schrumpft durch den Brexit aber nur von 751 auf 705 Abgeordnete. Die restlichen 27 Mandate werden auf Mitgliedstaaten verteilt, die bisher nach ihrer Bevölkerung unterrepräsentiert waren.

Reisen noch problemlos

Für Grossbritannien-Besucher aus der EU ändert sich während der Übergangsphase nichts. Sie können weiterhin mit ihrem Personalausweis und ohne Visum einreisen, müssen sich nicht anmelden oder können kostenfrei zum Arzt.

EU-Bürger können bleiben

In Grossbritannien leben mehr als drei Millionen EU-Bürger. Sie haben ein Bleiberecht, um auch nach der Übergangsphase im Land zu wohnen, zu arbeiten oder zu studieren. Zudem haben sie Anspruch auf Sozialleistungen. All dies gilt auch für EU-Bürger, die noch vor Ende 2020 kommen.

Noch EU-Recht unterworfen

Grundsätzlich setzt Grossbritannien EU-Recht in der Übergangszeit wie bisher um. Das Vereinigte Königreich bleibt vorerst der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unterworfen. Das gilt auch für alle Fälle, die bis zum Ende der Übergangsphase dort anhängig und erst später entschieden werden. EU-Staaten können sich ihrerseits aber bereits weigern, ihre Staatsbürger auf Grundlage eines Europäischen Haftbefehls an die britischen Behörden auszuliefern.

26. Januar 2020, 22:00
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Infos

Nach dem Brexit ist noch lange nicht Schluss

Am 31. Januar tritt Grossbritannien als erster Mitgliedstaat aus der EU aus. Doch mit dem Brexit ist noch lange nicht Schluss. Nach dem 31. Januar beginnen äusserst schwierige Verhandlungen über die künftigen Beziehungen. Ein Überblick:

31. Januar 2020

Um Mitternacht mitteleuropäischer Zeit endet die EU-Mitgliedschaft Grossbritanniens (23.00 Uhr britischer Zeit).

1. Februar 2020

Nun beginnt eine Übergangsphase bis mindestens Ende 2020. Grossbritannien bleibt vorerst noch im Binnenmarkt und in der Zollunion. Diese Periode wollen beide Seiten nutzen, um die künftigen Beziehungen und insbesondere ein Freihandelsabkommen auszuhandeln.

10.-13. Februar

Das Europaparlament will bei seiner Plenarsitzung in Strassburg in einer Entschliessung seine Position zu den Verhandlungen mit Grossbritannien festlegen.

25. Februar 2020

Die EU-Europaminister verabschieden das Mandat für die Verhandlungen über die künftigen Beziehungen. Die Gespräche über ein Handelsabkommen könnten damit im März starten. Für die Europäische Union werden sie wie schon die Austrittsverhandlungen von dem Franzosen Michel Barnier geführt.

1. Juli 2020

Die britische Regierung muss bis zu diesem Termin entscheiden, ob sie die Verhandlungsphase für das Handelsabkommen über Ende 2020 hinaus verlängert. Nach den Bestimmungen im Austrittsvertrag ist dies einmal für ein oder zwei Jahre möglich - also bis Ende 2021 oder Ende 2022. Johnson hat eine Verlängerung aber kategorisch ausgeschlossen und dies auch in das britische Austrittsgesetz schreiben lassen.

"Nach Kräften" wollen sich die EU und Grossbritannien dafür einsetzen, schon bis zu diesem Termin ein Fischereiabkommen zu schliessen. Damit soll laut der politischen Erklärung beider Seiten zu den künftigen Beziehungen sichergestellt werden, dass rechtzeitig "die Fangmöglichkeiten für das erste Jahr nach dem Übergangszeitraum" festgelegt werden können.

Oktober/November 2020

Ohne Verlängerung müssen die Verhandlungen jetzt abgeschlossen sein, um die Vereinbarung noch zu ratifizieren. Geht es um ein reines Handelsabkommen, muss auf EU-Seite nur das Europaparlament zustimmen. Sind aber auch Bereiche wie Dienstleistungen, Finanzgeschäfte, Daten- oder Investitionsschutz enthalten, könnte auch das grüne Licht der nationalen - und je nach Mitgliedstaat - sogar regionaler Parlamente nötig sein.

31. Dezember 2020

Ist das Freihandelsabkommen verabschiedet, scheidet Grossbritannien zum Jahresende auch aus dem Binnenmarkt und der Zollunion aus. Damit wären die letzten direkten Verbindungen aus 47 Jahren britischer EU-Mitgliedschaft endgültig gekappt. Über viele Bereiche dürfte es aber weitere Verhandlungen geben, da diese in der kurzen Zeit bis Ende 2020 nicht alle geregelt werden können. sda

Milliarden-Investitionen: Johnsons Pläne nach dem Brexit

Der britische Premierminister Boris Johnson hat seinen Wählern versprochen, dass nach dem Austritt Grossbritanniens aus der EU am 31. Januar nicht mehr über den Brexit gesprochen wird. Das ist zwar wenig wahrscheinlich - die britische Politik hat aber auch sonst alle Hände voll zu tun.

Regierungsumbildung

Die britischen Zeitungen sprechen von einem "Valentinstag-Massaker" - Johnsons angekündigte Kabinettsumbildung nach dem Brexit wird mit Spannung erwartet. Welche Köpfe künftig am Kabinettstisch und in den Beratergremien sitzen, wird den Regierungskurs und damit auch die Brexit-Verhandlungen entscheidend beeinflussen. Form und Zuschnitt des künftigen Kabinetts sind allerdings noch nicht beschlossen.

"Johnson will eine schlanke und effektive Regierung", sagt der Ökonom Iain Begg von der London School of Economics (LSE). Als gesichert gilt bereits, dass das Brexit-Ministerium wegfallen wird. Seine Aufgaben sollen von anderen Ministerien übernommen werden.

Hinzukommen könnte Begg zufolge hingegen eine Art "Nordengland"-Ministerium, das sich um die zurückgebliebenen Landstriche kümmert, die Johnson bei der Wahl Mitte Dezember seine überwältigende Regierungsmehrheit bescherten.

Auch in den unteren Ebenen der Ministerien sind Umwälzungen wahrscheinlich. Johnson hat einen schlechten Stand bei den Ministerialbeamten, denen er wiederholt vorgeworfen hatte, den Brexit zu torpedieren. Sein wichtigster Berater Dominic Cummings hatte Anfang Januar in einem Blogbeitrag "Weirdos and Misfits" ("Verrückte und Aussenseiter") aufgerufen, sich auf Regierungsjobs zu bewerben. Sie sollen die Regierung kreativer und effizienter machen.

Haushalt

Mit grosser Spannung wird ebenfalls der erste Staatshaushalt nach dem Brexit am 11. März erwartet. Dann wird sich zeigen, wie Johnson seine vielen Wahlversprechen finanzieren will. Dazu gehört etwa die "grösste Ausgabensteigerung der modernen Geschichte" für den steuerfinanzierten Gesundheitsdienst NHS sowie 20'000 neue Polizisten.

Dazu gehören auch teure Infrastrukturprojekte wie die Hochgeschwindigkeits-Bahnverbindung High Speed 2 von London in den Norden des Landes, die dutzende Milliarden Pfund verschlingen würden. "Wohnungsbau wird auch ganz oben auf der Agenda stehen", glaubt Begg. Da hingen die Briten der Bevölkerungsentwicklung hinterher. Auch der Kampf gegen den Klimawandel sei ein wichtiges Thema.

Konflikte könnte es seiner Einschätzung zufolge bei Kürzungen beim britischen Militär geben, das dank Flugzeugträgern und Nuklearwaffen zu den schlagkräftigsten - aber auch zu den teuersten - in ganz Europa gehört.

Die prophezeiten Ausgabensteigerungen stehen allerdings unter keinem guten Stern, da sich die Weltwirtschaft eintrübt und die britischen Unternehmen wegen der noch unklaren künftigen Wirtschaftsbeziehungen zur EU erneut vor unsicheren Zeiten stehen. Unklar ist zudem, wo die Johnson-Regierung dringend benötigte Fachkräfte wie Bauarbeiter und Pfleger finden will, wenn sie die Freizügigkeit aus der EU wie geplant durch ein Punktesystem nach australischem Vorbild ersetzen will.

"Ich glaube nicht, dass die Änderungen insgesamt so dramatisch werden", sagt Begg. "Das erste Jahr einer Regierung ist traditionell das, in dem die Regierung viele ihrer Wahlversprechen wieder zurücknimmt." Ausserdem werde der konservative Finanzminister Sajid Javid gegen Steuererhöhungen und neue Schulden ankämpfen.

Aussenpolitische Beziehungen

Helfen könnte ein Freihandelsabkommen mit dem engen Verbündeten USA. Dieses könnte bereits bis zum Jahresende stehen, hatte der US-Finanzminister Steven Mnuchin auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos gesagt.

Allerdings hatte Mnuchin erst am Vortag mit Strafzöllen auf britische Autos gedroht, sollte Johnson nicht Abstand von seinen Steuerplänen für grosse Digitalkonzerne wie Amazon oder Google nehmen. Es könnten also harte Verhandlungen werden, die Johnsons Position in aussenpolitischen Fragen wie dem Iran oder Huawei beeinflussen könnten. "Johnson bemüht sich allerdings sehr darum, nicht wie US-Präsident Donald Trumps Schosshündchen zu wirken", sagt Begg. sda

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