Syrien | Zahl der Toten wird auf mehr als 100 geschätzt
Dutzende Tote bei US-Angriff auf Regierungstruppen in Syrien
Bei einem der seltenen Angriffe der US-Armee auf regierungstreue Truppen in Syrien sind Dutzende Kämpfer ums Leben gekommen. Das US-Militär schätzte die Zahl der Toten im Osten des Bürgerkriegslandes auf mehr als 100, wie der Sender CNN am Donnerstag berichtete.
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete mindestens 45 getötete Regierungskräfte. Die Anti-IS-Koalition griff nach eigenen Angaben mit Verbündeten in Selbstverteidigung aus der Luft und mit Artillerie an.
Syriens Führung sprach hingegen von einer "Aggression" zur Terrorunterstützung. Die Angriffe "stellen ein Kriegsverbrechen und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar", schrieb das Aussenministerium in einem Brief an Uno-Generalsekretär Antonio Guterres und den Vorsitz des Uno-Sicherheitsrates. Sie bestätigten "die schändlichen Absichten der Amerikaner hinsichtlich Syrien und dessen Souveränität".
Die USA gehören zwar zu den Gegnern von Syriens Machthaber Baschar al-Assad, vertreten aber eigentlich die Linie, sich aus dem Bürgerkrieg herauszuhalten. An der Spitze der internationalen Koalition bekämpfen sie nur die Terrormiliz Islamischer Staat (IS).
Schon im vergangenen Jahr hatten sie jedoch Regierungskräfte angegriffen. Im April bombardierten sie nach einem verheerenden Giftgasangriff auf die von Rebellen kontrollierte Stadt Chan Scheichun einen syrischen Militärflughafen. Im Mai starben bei einem Angriff auf Syriens Armee und Verbündete im Süden des Landes mindestens acht Menschen. Das Pentagon sprach von Selbstverteidigung.
Verbündete angegriffen
Als solche stellte das Anti-IS-Bündnis auch den neuen Zwischenfall am Mittwoch in der Provinz Dair as-Saur dar. Die Regierungsanhänger hätten im Euphrattal das Gebiet um ein Hauptquartier der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) mit Panzer und Artillerie angegriffen. Dort hätten sich auch Soldaten des Anti-IS-Bündnisses aufgehalten.
Bei den SDF handelt es sich um ein kurdisch-arabisches Bündnis, das von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) dominiert wird. Die SDF sind eng mit Washington verbündet und bekämpfen mit Unterstützung der Koalition den IS.
Das Gebiet um die frühere Extremistenhochburg Dair as-Saur nahe der Grenze zum Irak ist strategisch wichtig. Hier stehen sich SDF und Regierung gegenüber. Zudem liegen im Euphrattal wichtige Ölvorräte des durch den Bürgerkrieg schwer geschädigten Landes.
Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana bestätigte den Angriff. Aus syrischen Militärkreisen hiess es, mehr als 150 regierungstreue Kämpfer seien getötet oder verletzt worden. Unter den Toten seien auch afghanische Kämpfer gewesen.
Moskau hat "viele Fragen" an USA
Moskaus Soldaten, die die Assad-Truppen im Bürgerkrieg unterstützen, waren nicht in der Region, wie das russische Verteidigungsministerium mitteilte. Die Anti-IS-Koalition erklärte jedoch, sie habe mit ihrem russischen Gegenüber vor, während und nach dem abgewehrten Pro-Regime-Angriff in regulärem Kontakt gestanden.
Russlands Militärsprach abweichend von nur 25 Verletzten aufseiten der regierungstreuen Kräfte, nicht von Toten. Das Vorgehen der Milizen gegen die SDF sei nicht mit Russland abgestimmt gewesen, hiess es in einer Mitteilung.
Moskau habe wegen des Vorfalls "eine Menge Fragen" an die USA, sagte Maria Sacharowa, Sprecherin des Aussenministeriums. Sie hielt sich mit einer Bewertung zurück. Man sammle noch Informationen, sagte sie der Agentur Interfax zufolge.
Zivilisten bei Luftangriffen getötet
Syriens Regierungskräfte konnten in den vergangenen Monaten grosse Geländegewinne erzielen. Der Zwischenfall zeigt jedoch, wie weit das unter verschiedenen Gruppen aufgeteilte Land von einem Frieden entfernt ist.
Weiter westlich setzte Syriens Luftwaffe zugleich ihre schwere Bombardierung eines Rebellengebietes nahe der Hauptstadt Damaskus fort. Mindestens 60 Zivilisten wurden getötet, wie Aktivisten berichteten.
Syrische Jets fliegen seit Tagen Angriffe auf die Region, die vor allem von islamistischen Milizen kontrolliert wird und eines der letzten Rebellengebiete in Syrien ist. Die Menschenrechtler erklärten am Donnerstag, innerhalb von 72 Stunden seien mindestens 210 Zivilisten gestorben.
Regierungstruppen haben das Gebiet seit langem eingeschlossen. Rund 400'000 Menschen sind fast vollständig von der Aussenwelt abgeschnitten. Die humanitäre Lage ist dramatisch. Es herrscht akuter Mangel an Lebensmitteln und medizinischer Versorgung.
Vergebliche Vermittlungsversuche
In Ost-Ghuta scheiterte auch der Versuch Russlands, des Irans und der Türkei, die Lage zu deeskalieren. Im Bemühen um ein Ende der Gewalt in Syrien wollen die Staatschefs der drei Länder zu einem weiteren Gipfel zusammenkommen.
Teheran ist neben Moskau wichtigster Verbündeter der Regierung, Ankara unterstützt Rebellen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nannte Syriens Machthaber Assad am Donnerstag erneut einen "Mörder" und schloss Gespräche mit ihm aus.
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