Politik | Der schwer unter Druck geratene FDP-Parteichef Christian Lindner überstand am Freitag eine Vertrauensfrage im Bundesvorstand
CDU-Spitze nach Thüringen-Eklat: Neuwahlen «der klarste Weg»
Nach dem Eklat von Erfurt sitzen vor allem FDP und CDU in der Patsche. CDU-Parteichefin Kramp-Karrenbauer fordert einen gänzlich neuen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten. Doch Grüne und SPD wollen sich den Schwarzen Peter nicht zuschieben lassen.
Die CDU-Bundesspitze hat SPD und Grüne in Thüringen aufgerufen, die Wahl eines neuen Ministerpräsidenten mit der Nominierung eines Kompromisskandidaten zu ermöglichen.
Nach dem Eklat um die Wahl des amtierenden Regierungschefs Thomas Kemmerich (FDP) mit den Stimmen der AfD forderte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer am Freitag in Berlin im Namen der Parteispitze, schnell für stabile und klare Verhältnisse zu sorgen. Wenn der Versuch scheitere, dies innerhalb des Parlaments zu erreichen, seien Neuwahlen unausweichlich.
"Wir sind nach wie vor im Präsidium der Meinung, dass Neuwahlen dafür der klarste Weg sind", hiess es in dem Beschluss der Parteispitze. Grüne und SPD in Thüringen wehrten den Vorschlag der CDU jedoch prompt ab.
Der schwer unter Druck geratene FDP-Parteichef Christian Lindner überstand am Freitag eine Vertrauensfrage im Bundesvorstand. Er erhielt bei einer Abstimmung von 36 abgegebenen Stimmen 33 Ja-Stimmen, wie er in Berlin selbst erklärte. Ein Mitglied stimmte demnach gegen ihn. Zwei Anwesende enthielten sich.
Politisches Beben
Auslöser der Krise war die Wahl Kemmerichs am Mittwoch zum Thüringer Regierungschef mit Stimmen der rechten AfD sowie der CDU. Dies hatte ein politisches Beben ausgelöst.
Lindner sagte: "Thüringen war ein Ernstfall und ist unverändert ein Ernstfall für die politische Kultur insgesamt und insbesondere für die FDP". Seine Partei bedaure zutiefst, dass die Vorgänge in Erfurt bei vielen Zweifel "an der Grundhaltung der FDP ausgelöst" hätten. Die FDP habe im Bundestag immer eine klare Grenze gezogen zur AfD. "Die AfD setzt auf Ausgrenzung, wo wir auf Toleranz setzen", sagte Lindner.
Kemmerich bleibt vorerst im Amt
Ministerpräsident Kemmerich bleibt trotz seines angekündigten Rückzugs vorerst weiter im Amt und nannte dafür formelle Gründe. Landtagsverwaltung und Staatskanzlei seien sich darüber einig, dass "ein Rücktritt, zum Beispiel sofort, nicht geboten ist, da es wichtige Entscheidungen der Landesregierung gibt, für die es zumindest ein amtierendes Regierungsmitglied braucht", sagte Kemmerich nach einem Gespräch mit Landtagspräsidentin Birgit Keller in Erfurt.
Keller sagte, Kemmerich habe deutlich gemacht, dass er einer Amtsübergabe noch im Februar nicht entgegenstehe. Sie habe ihn bei dem gemeinsamen Treffen so verstanden, dass er noch im Februar den Weg für eine neue Ministerpräsidentenwahl frei machen wolle.
Wahlausgang auf Kopf gestellt
Kemmerich hatte sich am Mittwoch gegen Bodo Ramelow (Linke) durchgesetzt. Das stellte den Wahlausgang vom 27. Oktober auf den Kopf. Damals hatte die Linke 31 Prozent geholt, die rechtsgerichtete AfD 23,4 Prozent und die CDU nur 21,7 Prozent. Die SPD war auf enttäuschende 8,2 Prozent gekommen. Grüne (5,2) und FDP (5,0) schafften den Einzug in den Landtag nur denkbar knapp.
"Wir erwarten, dass es eine Bereitschaft von SPD und Grünen gibt, einen Kandidaten oder eine Kandidatin zu präsentieren, der oder die als Ministerpräsident oder Ministerpräsidentin nicht das Land spaltet, sondern das Land eint", sagte Kramp-Karrenbauer.
Vorschlag von CDU-Chefin zurückgewiesen
Die Grünen in Thüringen wiesen den CDU-Vorschlag ab. "Ich glaube nicht, dass Frau Kramp-Karrenbauer in der Position ist, Vorschläge oder Aufträge zu erteilen", sagte Grünen-Fraktionschef Dirk Adams der Nachrichtenagentur DPA in Erfurt.
SPD-Landeschef Wolfgang Tiefensee twitterte, dies sei "der untaugliche Versuch", Rot-Rot-Grün zu spalten. Die Thüringer CDU müsse klar entscheiden, ob sie bei einer Neuwahl Ramelow verhindern wolle oder nicht. Tiefensee schrieb weiter: "Der beste Weg ist eine Selbstauflösung des Landtages und Neuwahlen."
Auch bei der Linken stiess Kramp-Karrenbauers Vorschlag umgehend auf Kritik. Dietmar Bartsch, Chef der Linken im Bundestag, nannte den Vorschlag der CDU "absurd", wie er der DPA sagte. Kramp-Karrenbauer müsse sich fragen lassen, ob sie die Lage noch überblicke und ihrem Amt gewachsen sei.
In der Nacht zum Freitag war die CDU-Chefin in Erfurt mit Forderungen nach einer Neuwahl nicht durchgedrungen. Sie räumte den Parteifreunden in Thüringen Zeit ein, einen parlamentarischen Weg aus der Krise zu finden.
Der Thüringer CDU-Fraktionschef Mike Mohring habe während der Krisensitzung in der Nacht zu Freitag in der Erfurter Fraktion seinen Rücktritt in Aussicht gestellt, erklärte die CDU-Chefin. Kurz danach bestätigte die Thüringer CDU, dass Mohring bei der Neuwahl des Fraktionsvorstands im Mai nicht mehr antreten werde.
Rot-Rot-Grün in Umfrage vorn
Laut einer aktuellen Umfrage könnte Rot-Rot-Grün in Thüringen wieder auf eine Mehrheit hoffen, wenn es an diesem Sonntag eine Neuwahl gäbe. Nach einer am Freitag veröffentlichten Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL und n-tv würde die Linke des bisherigen Ministerpräsidenten Ramelow deutliche Zugewinne verbuchen, während die CDU fast die Hälfte ihrer Wähler verlöre.
Die FDP von Kemmerich käme nicht einmal mehr in den Landtag. Die Linke könnte sich der Umfrage zufolge auf 37 Prozent verbessern. Auch Ramelows bisherige Koalitionspartner SPD (9 Prozent) und Grüne (7 Prozent) könnten leichte Zugewinne verbuchen. Die AfD würde sich ebenfalls leicht von 23,4 auf 24 Prozent verbessern. Die CDU stürzt in der Umfrage hingegen auf nur noch 12 Prozent ab. Die FDP würde mit 4 Prozent aus dem Landtag fliegen.
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