Der Walliser Bruno Jelk soll Olympia vor Lawinen schützen
«Skigebiete in Sotschi stark lawinengefährdet»
Bruno Jelk (69), Lawinenspezialist und Chef der Zermatter Bergrettung, steht während den Olympischen Spielen in Russland als Lawinenexperte im Einsatz. Heute fliegt er via Moskau nach Sotschi, wo er bis zum 20. Februar bleibt.
1815.ch: Bruno Jelk, in welcher Funktion stehen Sie in Sotschi im Einsatz?
Bruno Jelk: «Ich bin aufgeboten als Lawinenexperte. Meine Aufgabe ist die Beurteilung der Lawinengefahr, Schneeprofile erstellen, Lawinensprengungen, Umleitungsdämme für Lawinen erstellen und Lawinen- und Seilbahnrettung.»
Tragen Sie die Hauptverantwortung?
«Ich habe eine beratende Funktion. Die Entscheidungen werden in einem Team getroffen, in dem ich auch Mitglied bin.»
Sind die Russen mit dem nötigen Material ausgerüstet zur Lawinenvorbeugung?
«Jetzt sind sie gut ausgerüstet. Im letzten Winter war ich bereits für drei Monate in Sotschi. Da habe ich viel Material mitgenommen. Jetzt nehme ich auch noch zusätzliches mit.»
Welche Massnahmen wurden im Vorfeld der Olympischen Spiele getroffen?
«Es wurden gegen 70 Gazex für Lawinensprengungen montiert. Zudem sind auch automatische Messstationen wie in der Schweiz installiert worden. Es wurden viele Verbauungen und Lawinendämme gebaut. Im letzten Winter haben wir noch bauliche Massnahmen vorgeschlagen, die auch ausgeführt wurden. Das SLF Davos hat für diese Olympiade die Gefahrenkarten erstellt, Lawinenverbauungen und Lawinendämme vorgeschlagen, die auch realisiert wurden. Das SLF hat auch die meisten Standorte der Gazex-Sprenganlagen festgelegt. Ich habe immer Kontakt mit dem SLF und sie unterstützen mich aus der Ferne.»
Wie gross ist das Team, mit dem Sie zusammenarbeiten, und in welcher Sprache wird kommuniziert?
«Im Lawinendienst arbeiten elf Personen und es sind 30 Patrouilleure im Einsatz. Wir verständigen uns in Englisch und Russisch. Ich habe eine Übersetzerin zur Verfügung.»
Reisen weitere Mitglieder der Walliser Bergrettung mit Ihnen nach Russland?
«Nein. Für diese Arbeit bin ich alleine aus der Schweiz angereist.»
Sie weilten bereits im letzten Winter im Skigebiet in Sotschi. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
«Für mich war es eine sehr gute Erfahrung. Ich bin mit gemischten Gefühlen gestartet. Es war aber kein Problem. Es sind einheimische Leute, sie sind sehr freundlich und haben ein sehr grosses Interesse. Ein paar von ihnen sind sehr gute Skifahrer und haben auch sehr gute Lawinenkenntnisse. Ich wurde sehr gut aufgenommen, sonst würde ich diesen Winter nicht mehr nach Sotschi reisen.»
Wie sind die Schneeverhältnisse drei Wochen vor dem Start zu den Olympischen Spielen?
«Ich hatte mehrere Telefongespräche. Im Moment sind die Verhältnisse sehr gut und es herrschte auch gutes Wetter. Dies kann sich aber in diesem Gebiet schnell ändern. Im letzten Winter war das Wetter anhaltend schlecht. Es kann in 24 Stunden ohne Weiteres ein Meter Schnee fallen und es weht oft starker Wind.»
Sotschi liegt in unmittelbarer Nähe zum Schwarzen Meer. Ist die Schneebeschaffenheit ähnlich wie in den Schweizer Alpen?
«Die Schneeverhältnisse kann man mit den Alpen nicht vergleichen. Der Schnee hat viel Feuchtigkeit und setzt sich viel schneller. Die Lawinenauslösung muss gut analysiert werden. Es sammeln sich grosse Schneemassen an. Der Boden ist nicht gefroren, so können sich sehr grosse Gleitschneelawinen lösen.»
Wie gross ist die Lawinengefahr im olympischen Skigebiet?
«Das Gebiet ist in drei Sektoren aufgeteilt: Zwei Gebiete sind stark lawinengefährdet. Die Lawinen können hauptsächlich die Abfahrts- und Super-G-Pisten an mehreren Orten verschütten. Deshalb müssen die Lawinenhänge oft künstlich ausgelöst werden und damit die Lawinen nicht die Rennpisten verschütten, müssen Umleitungsdämme mit Schnee gebaut werden. Diese Dämme müssen natürlich nach jeder Sprengung wieder geleert werden.»
Verfügt Sotschi über die das nötige Know-how, um die Sicherheit der Rennläufer zu gewährleisten?
«Ich kann nur vom Lawinendienst sprechen. Wenn das Wetter mitspielt, ist die Sicherheit vorhanden. Man muss aber mit Programmverschiebungen rechnen. Was die anderen Probleme betrifft, kann ich nicht mitreden.»
Können Sie aus Ihrem Engagement in Sotschi oder vormals in Nepal auch Erkenntnisse ziehen, die in Ihre Arbeit in der Walliser Bergrettung einfliessen?
«Man kann immer etwas lernen. Es gibt überall gute Methoden, Techniken und Leute, von denen man etwas mitnehmen und lernen kann. Man darf nie meinen, dass man der Beste ist und nichts mehr lernen kann. Wer dies glaubt, kann sich sehr schnell irren und ist schnell im Rückstand. Ich habe immer sehr viel gelernt und man weiss, wo man international steht. Alle meine Erfahrungen im Ausland waren immer äusserst positiv.»
Sie haben mit ihren 69 Jahren eine grosse internationale Anerkennung als Bergretter und Lawinenspezialist. Tragen die Organisatoren in Sotschi dem auch materiell Rechnung?
«Für mich stimmt alles. Ich hoffe, dass es gegenseitig ist. Ich habe ein gutes Gefühl, sonst wäre ich nicht angefragt worden.»
Werden Sie nach der Rückkehr aus Russland weiterhin in internationalen Projekten aktiv sein?
«Wenn Anfragen kommen und es mich interessiert, werde ich mich sicher, sofern es meine Gesundheit erlaubt, weiter zur Verfügung stellen. Ich habe noch eine Anfrage von der Tschechischen Republik und in Nepal läuft das Projekt noch.»
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