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«Ich möchte eine Frau sein»
Er ist ein Mann und kleidet sich als Frau. Kevin Walther (24) ist transsexuell und fühlt sich im falschen Körper gefangen. Eine Lebens- und Leidensgeschichte.
Lange Haare, süsses Lächeln, elegante Beine und sexy Minirock. Kein Zweifel, Kevin Walther ist ein Blickfang. Wenn er auf seinen 17(!) Zentimeter hohen High Heels über die Strasse stöckelt, dann strecken die Leute ihre Köpfe in seine Richtung und tuscheln hinter seinem Rücken. Für Kevin kein Problem: «Ich erlebe jeden Tag die unmöglichsten Sachen. Aber mittlerweile ist es mir egal, was die Leute sagen», sagt der smarte Jüngling selbstbewusst.
Vor anderthalb Jahren geoutet
Nicht immer stolzierte Kevin so mode- und selbstbewusst umher. «In der Primarschule wurde ich oft gehänselt und auch in der Pubertät war es für mich schwierig, mein wahres Ich zu zeigen», schaut er zurück. Also zog er sich zurück und begleitete seine Mutter auf Shoppingtour. «Schon damals verspürte ich den inneren Drang, Frauenkleider anzuziehen, aber ich traute mich nicht», sagt Kevin. Erst sein
Outing im Sommer 2014 – «mein damaliger Freund sagte meinen Eltern, dass ich auf Männer stehe» – wirkte wie ein Befreiungsschlag. «In dieser Zeit habe ich auch angefangen, mein
Äusseres zu verändern. Ich fing an, meine Lippen zu schminken und ein Make-up aufzusetzen. Zudem habe ich mich erstmals getraut, Frauenkleider anzuziehen.» Die Reaktionen fallen unterschiedlich aus. Während das private Umfeld seine transsexuelle Neigung akzeptiert, wird Kevin auf der Strasse auch schon mal blöd angemacht. «Viele Leute reagieren unsicher und verständnislos, andere wiederum begrüssen meine Verwandlung und machen mir Mut», erklärt Kevin, der nach der obligatorischen Schulzeit eine Anlehre zum Bäcker/Konditor gemacht hat. Heute arbeitet der 24-Jährige im Service. «Ich habe gerne Kontakt mit Menschen und die Arbeit macht mir grossen Spass. Zudem kommen mir die unregelmässigen Arbeitszeiten entgegen.»
Stöckelschuhe und Minirock
Nach getaner Arbeit am Tresen verwandelt er sich in sein eigentliches Ich. Dann wird aus dem schmächtigen Jungen eine elegante Frau. «Ich kleide mich sehr gerne modern und sexy», erklärt Kevin, der sich neben der Arbeit nur in Frauenkleidern zeigt. Entsprechend oft ist er in Modegeschäften anzutreffen. «Ich shoppe für mein Leben gern und kann stundenlang in verschiedenen Läden herumschmökern.» Dabei ist es für Kevin nicht schwer, die passenden Grössen zu finden. Im Gegenteil: «Während ich in der Männerabteilung praktisch keine passenden Grössen gefunden habe, sind die Frauenkleider wie auf mich zugeschnitten. Grösse 32 bis 34 passt perfekt», sagt Kevin und zeigt auf seine schlanke Taille. Mantel, Jacken, Röcke, Pullover, Miniröcke – beim Anblick von Kevins Garderobe könnte manche Frau vor Neid erblassen. «Ich kleide mich nun mal gerne ein bisschen stylisch und aufreizend, obwohl ich damit nicht provozieren will», unterstreicht Kevin. Neben seiner extravaganten Kleidung ist auch die blonde Langhaarperücke ein Hingucker. Besonders auffallend: Die 17 Zentimeter hohen Stöckelschuhe. «Ich liebe es, Schuhe mit hohen Absätzen zu tragen.» Ist es nicht schwierig, als Mann auf hohen Schuhen zu laufen? «Das fragen mich viele Frauen auch», sagt Kevin und lacht. «Aber ich habe damit überhaupt keine Probleme.»
Frauen sind toleranter
Wenn Kevin in Kleiderläden herumstöbert oder auf der Strasse herumläuft, dann steht er schnell einmal im Mittelpunkt. Kein Wunder, mit seinem auffälligen Outfit und seiner Grösse – «mit Schuhen 1,96 Meter» – führt fast kein Weg an ihm vorbei. «Es gibt Leute, die starren mich einfach nur an und andere wiederum tuscheln über mein Aussehen. Aber mittlerweile weiss ich mich gut zu wehren», sagt Kevin nüchtern. Dass er auf Partys immer wieder mal für ein Foto herhalten muss, daran hat er sich längst gewöhnt. «Vor allem Frauen lassen sich gerne mit mir ablichten.» Demgegenüber gehen die Männer auf Distanz. «Die meisten Frauen sind mir gegenüber toleranter eingestellt als Männer», stellt Kevin fest. «Sie zeigen sich interessiert und machen mir Komplimente, während viele Männer nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen.» Aber das stört den selbstbewussten jungen Mann nicht weiter. «Früher war ich ängstlich und sehr sensibel. Heute stehe ich zu dem, was ich bin. Und das ist auch gut so.»
Operativer Eingriff
Noch steht Kevin Walther ganz am Anfang seiner Umwandlung. «Ich möchte es nicht einfach nur damit belassen, mich zu verkleiden und durch die Gegend zu stolzieren. Ich möchte eine Frau sein.» Darum wagt er sich jetzt auch an die körperliche Veränderung. «Im Januar darf ich am Unispital Basel vorsprechen und mich um eine Hormontherapie bewerben.» Vor Beginn der Therapie müssen zuerst aber die psychischen und physischen Folgen der Behandlung genau abgeklärt werden. Kevin sieht dieser Untersuchung gelassen entgegen. Später will er auch noch die operativen Eingriffe über sich ergehen lassen. «Ich habe mir diesen Schritt reiflich überlegt. Was mir einzig an die Substanz geht, ist die lange Warterei.» Spätestens in zwei Jahren soll es dann so weit sein: Bis dann will Kevin sein altes Leben hinter sich lassen. «Ich will endlich meine Hülle ablegen und mein wahres Ich präsentieren. Erst dann fühle ich mich befreit.» Die Wintersaison will Kevin noch im Goms arbeiten, dann will er seine Heimat verlassen. «Das würde mich psychisch zu sehr belasten, wenn ich dableiben würde.» Auch wenn ihm die körperliche Veränderung ein bisschen Sorgen macht, so überwiegt die Freude über sein neues Sein bei Weitem. «Natürlich mache ich mir ab und zu Gedanken über die bevorstehende Zeit. Aber ich bin mir sicher, dass es ein guter Entscheid ist, diesen Weg zu gehen.» Nicht nur seine Eltern, auch seine 70-jährige Grossmutter, die in Frankreich lebt, unterstützt ihren Enkel bei seinem Vorhaben. «Sie hat sich immer eine Enkelin gewünscht. Jetzt geht ihr dieser Wunsch schon bald in Erfüllung», sagt Kevin.
Walter Bellwald
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Kommentare
Wyni - ↑1↓1
Hallo Leute, es ist sicher Traumhaft sich als Mann wie eine Frau zu fühlen. Suche schon lange nach Hilfe um den Traum auch mahl aus zu leben. Kann mir jemand den Traum erfüllen??? so hoffe ich auf Antwort.Danke
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Dami - ↑5↓1
Hy wyni
Wenn du das mal machen möchtest kann ich dir schon dabei helfen kommt drauf an woher du kommst ich wohne im wallis und zieh mich manchmal als frau an aber nie in der offentlichkeit hätte auch high heels in der grösse US15
kevin - ↑6↓5
Meine Dame ich kleide mich so wie ich will und vielleicht finde ich im Goms mein Traummann!!!!
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Ulricke S. - ↑19↓5
Ich bin selbst Transgender. Und finde es ganz toll das du so selbstbewusst bist und dich nicht unterbuttern lässt. Ich bin 54 J und war auch vor dem Outing sehr unsicher. Ich finde es auch bemerkenswert das deine Mutter dich unterstützt. Meine Eltern waren sehr konservativ und hätten mich wahrscheinlich verstoßen. Ich musste fast 40 Jahre meine wahre Persönlichkeit verstecken. Mach weiter so Kevin ich finde es einfach prima wenn Menschen ihre wahre Identität nicht mehr verstecken müssen. LG Ulricke
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R. - ↑16↓3
Warum regen sich hier einige auf über Kevin od. andere Transgender? Wir haben doch auf der Welt genügend echte Probleme: ISIS, Armut, Hungersnot usw. Regt euch bitte über echte Probleme auf und lasst Menschen - ich betone: MENSCHEN wie Kevin ihren Platz und ihre Ruhe!
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lucy - ↑15↓3
Ja nur haben viele vor uns Angst da wir von der norm abweichen, was ich aber nicht verstehe wie sagte meine mutter nach meinem outing "ja und du bist desswegen immer noch mein Kind". Was bedeutet nur weil ich in einem anderen geschlecht lebe heßt es nicht das ich desswegen ein anderer mensch bin
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Kawaii - ↑14↓3
Kleiner Hinweis am Rande (neben dem konstanten Misgendering): Der korrekte Begriff ist Transgender. Transsexuell wird von transidenten Personen oftmals als Beleidigung empfunden. Also nur benutzen, wenn die betroffene Person den Begriff selber als Beschreibung verwendet (was vorkommen kann, aber nicht sehr häufig ist).
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Sara - ↑20↓10
es wird immer von "er" gesprochen und "kevin" und "umwandlung".
da ich selbst auf grund meiner lesbischen orientierung viel im queeren umfeld aktiv bin, kann ich sagen, dass beiden betroffen der körper an das gefühlte geschlecht angeglichen wird, nicht umgewandelt. weiterhin ist die hie rbeschriebene person weiblich im denken und fühlen und vom bewusstsein, daher sollte von einer "sie" geschrieben werden und von einer "jungen frau".
abgesehen von diesen textlichen fehlern, wünsche ich der jungen dame alles gute für die zukunft und das sie ihren weg geht und sich nicht unterkriegen lässt.
als tipp kann ich nur mitgeben, weniger ist mehr, hab ich leider bei vielen transidenten frauen beobachtet, dass die weiblichkeit übertrieben ausgelebt wird, hier sollte ein guter mittelweg gefunden werden. einfach schauen, wie sehen andere frauen aus, dann wird das schon und es entsteht keine, ich sag jetz mal salopp "klischeetranse"
beste grüße
sara
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lucy - ↑7↓4
Du hast da vollkommen recht denn Sie war nie ein Er evtl die hülle mehr jedoch nicht und nun ja es sind einfach allgemeine begriffe die ich auch ablehne
Kawaii - ↑7↓3
Bis auf den Verweis auf die [transphobes Schimpfwort] kann ich deiner Aussage nur zustimmen. Das konstante Misgendering tut in der Seele weh. Vor allem, da sie an der Arbeit offenbar ihr wahres Ich verbergen muss. Das ist schade.
Und wegen dem "weniger ist mehr": Ich finde es gut, dass sie ihren Stil auslebt. Die Welt kann mehr Vielfalt in der Mode gut gebrauchen. ;-)
Viége - ↑17↓20
Alle schön und gut nur: "Ich kleide mich nun mal gerne ein bisschen stylisch und aufreizend, obwohl ich damit nicht provozieren will."
Sorry mein Lieber Herr, das machst du uns den anderen Leuten hier in der Region wirklich etwas vor... Ob er schlussendlich den Transsexuellen gerade in der sehr Konservativen Region wie im Goms einen gefallen tut bezweilfe ich stark.
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züribueb - ↑22↓9
Kann er dann etwas dafür, dass er Transsexuell ist ? NEIN! Ich find es toll das Kevin das leicht konservative Oberwallis zum nachdenken bringt! Leb dein Leben Kevin!
conny hagen - ↑26↓11
hey kevin ich finne das super das der schritt gmacht hesch und zu dier sälber steisch ich umarme dich conny
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nathalie - ↑44↓15
ich finde es super das du diesen Weg gehen willst egal was andere Leute denken hör einfach auf dein Herz
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Caterina Nellen - ↑65↓24
Bewundernswert mutig, wie Kevin an die Öffentlichkeit geht. Ich wünsche ihm, dass die Zeit des Wartens für ihn schnell vergeht.
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Mage co - ↑49↓20
soll doch jeder sein leben leben wie es ihm gefällt. Solange nicht andere darunter leiden ist das doch jedem seine sache... Normalos die sich den mund über andere nicht 100% in die norm passenden wundreden haben wir genügend.
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larso - ↑37↓15
Clint, sehen Sie sich aktuell gerade an wie man sich auf den Facebookseiten der Rhonezeitung und von 1815 in den Kommentaren unter diesem Artikel über dieses Thema lustig macht. Sie werden nachvollziehen können dass es weder einfach noch standart ist was man alles durchstehen muss wenn man nicht der Norm entspricht.
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larso - ↑91↓31
Vielleicht wird das Wallis in ferner Zukunft mal soweit sein dass jemand nach einer Geschlechtsangleichung nicht den Kanton wechseln muss. Bravo Kevin für Deinen Mut. Sei Du selbst!
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lucy - ↑1↓4
@ Clint Eastwood dafür braucht es mut den es gibt immer noch viele gegende in der verdamt viele unter homophobie leiden ich hab damit gerechnet das der nächste tag mein todestag ist
Mage co - ↑10↓5
@ clint. Was genau ist mutig daran wenn man alles macht wie alle anderen? Kinder haben mutig? Jein, nicht wirklich. Zum Amt gehen mutig? Haha guter Scherz...facpalm
Clint Eastwood - ↑48↓82
Dafür braucht es in der heutigen Zeit wahrlich keinen Mut mehr, so etwas ist schon fast Standard.
Mut brauch es eher, wenn man als 35 jähriger arbeitet und die Frau zuhause die Kinder erzieht und dazu noch regelmäßig am Sonntag zum Amt geht...
giammarresi conny - ↑100↓37
bravoo kevin & bravooo 1815 für den mut über ein solch wichtiges thema zu sprechen & zu schreiben!
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Jeannine N. - ↑67↓28
Jeder soll so sein können, wie er will. Und dafür benötigt es so mutige Menschen wie Kevin.
Die Welt muss offener und akzeptabler werden.