Frontal | Diakon Martin Filipponi

«Priester haben mehr Probleme mit der Einsamkeit als mit dem Zölibat»

Diakon Martin Filipponi wird am 13. Mai zum Priester geweiht.
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Diakon Martin Filipponi wird am 13. Mai zum Priester geweiht.
Foto: RZ

Diakon Martin Filipponi wird am 13. Mai zum Priester geweiht.
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Diakon Martin Filipponi wird am 13. Mai zum Priester geweiht.
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Diakon Martin Filipponi (38) wird in neun Tagen zum Priester geweiht. Vor seinem grossen Tag spricht er im Frontalinterview über seine Berufung, das Zölibat und die Sterbehilfe.

Diakon Martin Filipponi, was war heute Morgen Ihr erster Gedanke?
Mein erster Gedanke war, welchem Heiligen gedenkt heute die Kirche? Und mein zweiter Gedanke galt dem bevorstehenden Interview.

Sie kommen soeben vom Stundengebet. Was nehmen Sie mit für den heutigen Tag?
Das Psalmengebet ist für mich Nahrung für die Seele und gibt mir Kraft. Wie andere frühmorgens körperliche Fitness betreiben, ist das Stundengebet mein Fitnesstraining für Seele und Geist. Das Brevier ist das Gebet, welches die ­Diakone und Priester für und mit der ganzen Kirche viermal am Tag beten. Das ganze emotionale Leben findet sich in den Psalmen wieder.

Am 13. Mai werden Sie mit zwei anderen jungen Männern in Chur zum Priester geweiht. Acht Tage später findet in Gampel die Heimatprimiz statt. Angespannt?
Eine gewisse Anspannung, gepaart mit Freude und Dankbarkeit ist da.

Mit 38 Jahren sind Sie kein eigentlicher Jung­spund mehr. Kommt Ihnen das in Ihrer Arbeit zugute?
Ja. Aber man kann nicht das eine gegen das andere ausspielen. Gott ruft Menschen heute noch in unterschiedlichen Umständen in die konkrete Nachfolge. Die geistige und geistliche Reife hängt nicht nur vom Alter ab.

Sie haben die Pflegefachhochschule absolviert und später auf der medizinisch-onkologischen Abteilung in Brig gearbeitet, bevor Sie das Theologie- und Philosophiestudium in Angriff genommen haben. Was gab den Ausschlag, Ihrer Berufung zu folgen?
Gott hat mich sanft und ausdauernd in die Nachfolge gerufen. Auf der Palliativstation hatte ich viel mit sterbenden Menschen zu tun. Regelmässig wurden auf Wunsch der Patienten Priester auf die Station gerufen. Die Priester beteten für die Menschen und spendeten die Krankensalbung. Ich stellte fest, dass durch dieses Sakrament viele Kranke gestärkt wurden und es ihnen half, besser mit dem Leiden umzugehen. Der Ruf zum Priestertum ist in dieser Zeit gewachsen.

Hatten Sie schlaflose Nächte, bevor Sie sich dazu entschlossen haben?
Die Entscheidung war nicht einfach. Ich wollte eigentlich immer heiraten, eine Familie gründen und Vater sein. Weil die Berufung zum Priestertum immer klarere Konturen annahm, war ich innerlich angespannt. Ich stand vor einer Entscheidung und hatte schlaflose Nächte. Schliesslich habe ich beschlossen, mich zurückzuziehen und zu beten, um eine Antwort auf meine Fragen zu finden.

Wie hat Ihre Familie auf den Entscheid ­reagiert?
Mein Vater starb, als ich zehn Jahre alt war. Meine Mutter war zuerst überrascht, als ich ihr meinen Entscheid mitteilte. Bald aber freute sie sich, wohlwissend, dass das Priestertum eine grosse Verantwortung mit sich bringt. Wie Don Boscos Mutter sagte sie mir einmal: «Lieber ein armer Bauer, als ein schlechter Priester.» Mein Bruder konnte meinen Entscheid zuerst nicht nachvollziehen. Inzwischen aber respektiert er meinen Weg und freut sich mit mir.

Nach aussen hin hat man oft den Eindruck, dass sich ein junger Mensch unter seinesgleichen für einen solchen Entscheid rechtfertigen muss. Haben Sie das auch so erlebt?
Die Reaktionen fielen unterschiedlich aus. Viele in meinem Umfeld waren erstaunt darüber, dass ein junger Mann Liebgewonnenes aufgibt und diesen Weg einschlägt. Einige haben es geahnt. Unverständnis im eigentlichen Sinne hat mir gegenüber niemand geäussert. Vielleicht hat man auch aus Höflichkeit geschwiegen. Andere meiner damaligen Kollegen waren irritiert, als sie sahen, dass mir das Hobby Klettern auf einmal nicht mehr so wichtig war. Eigentlich wollte ich einmal Bergführer werden. Ein Mönch sagte sehr nüchtern, dass ich jetzt ein geistlicher Führer werde. Rückblickend hatte er nicht ganz unrecht, denn die Aufgabe des Priesters ist es, den Menschen den Weg zu Gott aufzuzeigen.

Sie haben in Chur und in Heiligenkreuz bei Wien studiert. Während sich in der Schweiz und im Bistum Sitten wenig Leute für ein Theologiestudium begeistern lassen, gibt es Orte, an denen es viele Studierende gibt. Haben Sie dafür eine Erklärung?
In der Kirchengeschichte hat es immer Orte gegeben, die eine grosse Anziehungskraft auf die Menschen ausgeübt haben. In Heiligenkreuz studieren junge Menschen aus der ganzen Welt. Viele bereiten sich intellektuell, menschlich und spirituell auf das Priestertum vor. Warum das Kloster und die Hochschule einen so grossen Zulauf haben, ist ein Geheimnis. Vor zwanzig Jahren war das nicht so. Die Mönche pflegen ein intensives Gebetsleben, leben aus einer tiefen Gottesbeziehung und sind alles andere als weltfremd. Dazu kommt die marianische Spiritualität. Heiligenkreuz ist ein Ort, an dem die Schönheit und die Freude am Glauben aufleuchten. Das gibt es auch an anderen Orten und ist ein Geschenk Gottes.

Würde eine Aufhebung des Zölibats dem Priestermangel bei uns Abhilfe schaffen?
Ich bezweifle, dass dieser durch die Aufhebung des Zölibats behoben werden könnte. Andere christliche Glaubensgemeinschaften halten nicht am Zölibat fest, leiden aber genauso an Priestermangel wie die katholische Kirche in Westeuropa. Ich glaube nicht, dass durch die Aufhebung des Zölibats der Priestermangel behoben werden kann. Viele Priester haben mehr Probleme mit der Einsamkeit als mit dem Zölibat. Es ist wichtig, dass die Priester Freundschaften pflegen und miteinander beten können. Priestergemeinschaften sind ein vielversprechendes Modell für die Zukunft. Jesus sandte die Jünger nie alleine aus. Er wusste warum.

In den letzten Jahren sind in der Kirche immer wieder Fälle von sexuellem Missbrauch ans Tageslicht gekommen. Hat die Kirche ein Imageproblem?
Selbstverständlich können und müssen die Übergriffe aufgearbeitet und die rechtlichen Schritte eingeleitet werden. Man darf diese Vergehen weder schönreden noch unter dem Deckmantel halten. Es ist aber auch wichtig, dass die positiven und schönen Seiten der Kirche hervorgehoben werden. Das Poten­zial der Medienarbeit und der modernen Kommunikationsmittel ist noch nicht ganz ausgeschöpft. Den Glauben gilt es auch über diese Kanäle zu den Menschen zu bringen und aufleuchten zu lassen. Es tut sich in diesem Bereich schon vieles, doch es bleibt noch einiges zu tun. Die beste Imagepflege ist immer noch der mit Freude gelebte Glaube jedes Einzelnen.

Viele grosse Konfessionen spüren die Folgen des demografischen und religiösen Wandels. Die Kirchgänger bleiben aus und viele Klöster müssen schliessen. Wie bringen Sie die Menschen wieder ins Gotteshaus?
Dazu möchte ich zwei Dinge sagen. Nicht überall sind die Kirchen leer. Zweitens: Nicht ich bringe die Menschen in die Kirche, sondern Gott. Es ist die Aufgabe des Priesters, die Menschen an Gott zu binden und Orte zu schaffen, an denen man Gott begegnen kann. Es gilt, der Stille wieder mehr Raum zu geben. Wenn die Menschen persönliche Gotteserfahrungen machen, dann füllen sich auch die Kirchen wieder.

Nach der Zulassung der Sterbehilfe im Altersheim Englischgruss in Brig-Glis wird heftig darüber debattiert. Haben Sie Verständnis für einen Menschen, der Sterbehilfe in Anspruch nehmen will?
Ich habe Verständnis, kann es aber nicht gut­heissen. Die Kirche sieht im Leben ein Geschenk, welches mit allen Kräften geschützt werden soll; sowohl am Anfang wie auch am Ende. Jedoch ist es gefährlich, wenn der Mensch dem Menschen ans Leben geht. Sterben ist nicht immer schön. Aber die Frage ist, wie sterben wir? Wie werden wir begleitet? Ist es gut, auf Schmerzen und Einsamkeit mit dem Tod zu antworten? Während meiner Arbeit als Pflegefachmann hatte ich viel mit chronisch erkrankten und sterbenden Menschen zu tun. Die Palliative Care bietet hier eine sinnvolle und wertvolle Unterstützung. Wichtig ist dabei, den Schmerz zu lindern und den Menschen nicht allein zu lassen. Sterbehilfe ist weder theologisch, philosophisch noch menschlich vertretbar. Wir kennen in der Schweiz leider nicht nur den Sommer- und Wintertourismus, sondern auch den Sterbetourismus. Dafür schäme ich mich.

Sie werden nach Ihrer Priesterweihe in Davos als Vikar amten. Ist eine Rückkehr ins Wallis für Sie kein Thema?
Momentan darf ich in Davos mit zwei anderen jungen Priestern zusammenarbeiten. Vom dortigen Pfarrer und dem Vikar kann ich viel lernen. Ich freue mich auf diese Aufgabe. Das Wallis ist schön und meine Heimat. Vielleicht wird eine Rückkehr ins Wallis einmal zum Thema. Über meine Zukunft aber entscheide ich nicht alleine.

Walter Bellwald

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Infos

Vorname Martin
Name Filipponi
Geburtsdatum 7. Mai 1979
Beruf Priester
Funktion Vikar in der Pfarrei Davos
Hobbies Lesen, Telemarken und Mountainbiken
In Zukunft wird es wieder mehr Priesterberufungen geben. Ja
Die Pfarrkirche in Gampel ist die schönste im Oberwallis. Joker
Ich möchte eines Tages Bischof sein. Nein
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

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