Autismus-Wallis
«Im Oberwallis ist einer von hundert Menschen betroffen»
Der Verein Autismus-Wallis hat in seinem ersten Jahr bereits viel bewirkt und auch am Welt-Autismus-Tag sind in Brig-Glis einige Aktivitäten rund um das Stockalperschloss geplant. Ein Gespräch mit der Co-Präsidentin Autismus Wallis, Andrea Jordan.
1815.ch: Andrea Jordan, heute ist Welt-Autismus-Tag: Welche Bedeutung liegt diesem Tag zugrunde?
Andrea Jordan: Den Welt-Autismus Tag gibt es erst seit 2008. Autismus war lange unbekannt, dabei sind, wenn man das ganze Autismus-Spektrum betrachtet, 0.7 Prozent, nach anderen Angaben sogar ein Prozent aller Menschen betroffen.
Weltweit wird seit Jahren darauf aufmerksam gemacht, die Schweiz hinkt etwas hinten nach – und das Wallis ist noch einen Schritt weiter hinten. Mit dem Welt-Autismus Tag möchte man die Bevölkerung sensibilisieren, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, Autismus kennenzulernen, und vor allem, diese andere Wahrnehmung zu verstehen.
Wie wird das Thema von der Bevölkerung wahrgenommen?
Wie gesagt ist die Schweiz ein Entwicklungsland in Sachen Autismus. Kein Mensch auf der Strasse wird wissen, dass der 2. April Welt-Autismus Tag ist. Wir haben bereits im vergangenen Jahr im Walliser Bote auf diesen Tag aufmerksam gemacht.
Es ist sehr erfreulich, dass die Schweiz diese Jahr auch mitmacht bei der Kampagne ‚Light-it-up blue‘, um ein Zeichen zu setzen und auf das Thema Autismus aufmerksam zu machen. Im Oberwallis wird das Stockalperschloss in Brig-Glis an diesem Tag blau leuchten. Der Verein Autismus-Wallis wird zudem am 2. April einen kleinen Stand beim Eingang zum Stockalperhof haben. Wir werden dort von 15 Uhr bis 22 Uhr anwesend sein, es gibt gratis Kaffee und Kuchen für alle. Ziel ist, dass man uns als Verein wahrnimmt, und dass wir vielleicht noch Mitglieder dazugewinnen können.
An wen können sich betroffene Eltern und deren Kinder wenden, wenn in ihrer Familie ein Fall von Autismus vorkommt?
Die Eltern, aber auch Selbstbetroffene können sich an den Verein Autismus-Wallis wenden. Wir sind Schweiz weit sehr gut vernetzt und haben sogar Kontakte zu Fachstellen im Ausland. Zudem bieten wir selber Fachberatung an. Wie viele Familien im Oberwallis direkt mit der Diagnose konfrontiert sind, lässt sich schwer sagen, denn viele werden nicht wissen, dass das Problem 'Autismus' heisst.
Autismus ist noch relativ neu, die Diagnose wurde erst in den letzten zehn Jahren vermehrt gestellt. Ausserkantonal ist man da schon einen Schritt weiter, lange wurden die Kinder in andere Kantone zur Abklärung geschickt. Aber auch hier im Oberwallis ist einer von hundert Menschen betroffen – nur wissen es die meisten nicht.
Gibt es im Kanton Wallis Therapiezentren um Eltern mit einem an Autismus leidenden Kind zu begleiten?
Es gibt keine Fachstelle im Kanton, die sich auf Autismus spezialisiert hat. Da gibt es noch viel zu tun. Ich denke das Oberwallis selber ist zu klein, um solch ein Therapiezentrum zu führen, und für den Gesamtkanton ist die Sprache wiederum das Problem.
Im Unterwallis versucht der Verein nun, eine Fachstelle aufzubauen oder mitzuentwickeln. Im Oberwallis werden wir eine andere Lösung suchen müssen. Aber der Verein kann auch hier Anlaufstelle sein und wird in naher Zukunft konkrete Therapieangebote anbieten.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit Angehörigen aus?
Es haben sich noch keine Angehörigen bei uns gemeldet oder bei uns um Unterstützung angefragt, obwohl wir das anbieten. Die Hemmschwelle scheint sehr gross zu sein. Und solange keine Diagnosen gestellt werden, kommen die Leute nicht zu uns. Es ist natürlich nicht einfach, sein Kind unter Autismus einzustufen.
Die Abwehrhaltung ist sehr gross, und viele hoffen, dass sich ‚das schon gibt‘ – dass die Kinder einfach mehr Zeit brauchen usw. Viele Kinder bekommen eine Diagnose, welche psychoorganisches Syndrom (POS) heisst. Das tönt für die Eltern beruhigender und lässt die Hoffnung zu, dass sich das auswächst. Aber es hilft nur sehr wenig, um sein Kind wirklich zu verstehen.
Ist Autismus immer noch einer Art «Endzeit-Diagnose» für Eltern oder können genügend wirksame Therapieformen und/oder Medikamente angeboten werden?
Autismus ist gewissermassen eine Endzeit-Diagnose. Autismus ist nicht heilbar. Autismus ist eine Wahrnehmung, die hat man, und diese wird sich auch nicht verändern. Man kann aber sehr positiv Einfluss nehmen, indem man Kinder so früh wie möglich behandelt, mit ihnen Sozialtherapien macht, Abläufe übt und so weiter. Aber auch in diesem Fall muss auch die Diagnose stimme um eine angepasste Therapie anzubieten. Die erste und beste Therapie ist ohnehin, Autismus zu verstehen, und dem Autisten mit sehr viel Verständnis zu begegnen.
Wenn man versteht, wieso jemand anders oder unangepasst reagiert, kann man auch besser damit umgehen, man kann die Bedingungen um ihn herum verändern, und vieles wird sehr viel einfacher werden – für beide Seiten. Das Autismus Spektrum ist sehr breit, vom Autisten, der nicht spricht und nur wenig am Leben teilnimmt, bis hin zum Asperger-Autisten, der oftmals ein normales Leben führen kann, allerdings unter sehr grossen Anstrengungen. Aber viele Kinder werden nie selbständig leben können, diese Angst ist durchaus begründet.
Welche Themen werden am Vortrag in Sitten behandelt?
In Sitten werden vor allem Strukturen und Angebote vorgestellt, welche in anderen Kantonen wie etwa im Kanton Waadt bereits für Autisten aufgebaut wurden. Es geht vorwiegend um Jugendliche und Erwachsene mit Autismus Spektrumsstörungen.
Zudem wird eine Person, die vom Asperger Syndrom betroffen ist, von sich erzählen.
Welche Arbeiten verrichtet der Verein Autismus-Wallis?
Der Verein will vor allem informieren. Zudem haben wir eine grosse Auswahl an Büchern und Filmen, die wir Interessierten ausleihen. Wir haben ein Gratis-Beratungstelefon, wir bieten Selbsthilfegruppen an, organisieren Vorträge, geben Weiterbildungen an Schulen oder an andere Organisationen. Alle Angebote finden sich unter www.autismus-wallis.ch, zudem informieren wir regelmässig über facebook.
Letztes Jahr haben wir einen Vortrag über das Asperger Syndrom organisiert, der mit über 250 Zuhörern sehr gut besucht war. Der Verein zählt leider erst 55 Mitglieder, davon nur 11 aus dem Oberwallis. Am 17. Mai 2013 werden wir unsere erste GV haben, dieses Jahr im Oberwallis, um 20 Uhr im Pfarreiheim in Glis. Die GV wird abwechselnd im Ober-, Mittel- und Unterwallis abgehalten. Neumitglieder sind herzlich willkommen!!
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