Energiewende | Die Energiestrategie steht
Massnahmen zur Energiestrategie unter Dach und Fach
Keine neuen Atomkraftwerke, mehr erneuerbare Energien, weniger Energieverbrauch: Das sind die Pfeiler der Energiestrategie. Das Parlament hat das erste Massnahmenpaket dazu bereinigt. Die Debatte geht jedoch weiter.
Am Montag hat der Ständerat die letzten Differenzen ausgeräumt. Das Geschäft ist damit bereit für die Schlussabstimmungen. Dass es dort scheitert, wird nicht erwartet. Die SVP und die Mehrheit der FDP lehnen die Vorlage zwar ab. Für ein Nein müsste die FDP aber geschlossen dagegen stimmen.
Offen ist, ob am Ende das Stimmvolk entscheiden wird. Die Gegner ziehen ein Referendum in Betracht. Die SVP will dieses indes nur ergreifen, wenn die Wirtschaft mitzieht. Die Abstimmung könnte frühestens am 21. Mai 2017 stattfinden.
Bereits vorher dürften im Parlament die Beratungen zur zweiten Etappe beginnen, dem Klima- und Energielenkungssystem (KELS). Zudem wird das Stimmvolk im November über die Atomausstiegsinitiative entscheiden, die nicht nur ein Verbot neuer Atomkraftwerke, sondern auch eine Begrenzung der Laufzeit für die bestehenden verlangt.
Fukushima als Auslöser
Auslöser der Initiative und der Energiestrategie war die Atomkatastrophe von Fukushima vom 11. März 2011. Zwei Monate nach dem Unglück beschloss der Bundesrat, dass in der Schweiz keine neuen Atomkraftwerke gebaut werden sollen.
Noch im selben Jahr bestätigte das Parlament diesen Grundsatzentscheid. Der Bundesrat erarbeitete in der Folge die Energiestrategie 2050 und leitete im September 2013 das erste Massnahmenpaket dazu ans Parlament.
Heftige Kontroversen
Dort sorgte das Paket für heftige Kontroversen, obwohl es nichts Revolutionäres beinhaltete: Der Bundesrat schlug vor, die bestehenden Instrumente auszubauen, insbesondere jene zur Förderung erneuerbarer Energien und für Gebäudesanierungen. Am Ende blieb das Parlament zwar auf Bundesratskurs, schwächte das Paket insgesamt aber ab.
Am meisten zu reden gab der Betrieb der alten Atomkraftwerke. Hier bleibt jedoch alles beim Alten: Die AKW dürfen so lange am Netz bleiben, wie die Aufsichtsbehörde sie als sicher einstuft. Die Beratungen waren von ideologischen Grabenkämpfen geprägt, aber auch von den sich rasch ändernden Rahmenbedingungen. Der Strompreis fiel in den Keller, die Wasserkraftwerke gerieten unter Druck. Die Photovoltaik entwickelte sich schneller und die Windenergie langsamer, als 2011 angenommen worden war.
Mehr erneuerbare Energien
Das erste Massnahmenpaket sieht vor, dass die Stromproduktion aus neuen erneuerbaren Energien von heute rund 3 Terawattstunden bis 2035 auf mindestens 11,4 Terawattstunden steigt. Das wäre etwa halb so viel wie heute die Schweizer Atomkraftwerke produzieren. Der Bundesrat hatte ein ehrgeizigeres Ziel vorgeschlagen.
Den Strom müssen die Betreiber der Anlagen künftig grundsätzlich selber am Markt absetzen. Zum Erlös aus dem Stromverkauf erhalten sie jedoch eine technologiespezifische Einspeiseprämie, mit welcher der ökologische Mehrwert abgeglichen wird.
Höherer Netzzuschlag
Für die Förderung steht mehr Geld zur Verfügung als heute. Der Netzzuschlag, den Stromkonsumenten berappen, steigt auf 2,3 Rappen. Eine vierköpfige Familie kostet das rund 100 Franken im Jahr, 44 Franken mehr als heute. Ab dem sechsten Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes werden keine neuen Anlagen mehr ins Fördersystem aufgenommen, 2031 sollen auch Einmalvergütungen und Investitionsbeiträge gestoppt werden.
Stomintensiven Unternehmen wird der Netzzuschlag wie bisher zurückerstattet. Anders als heute sind die Unternehmen aber nicht mehr verpflichtet, einen Teil des Geldes für Effizienz-Massnahmen einzusetzen. Zur Förderung erneuerbarer Energien soll auch beitragen, dass der Bau von Produktionsanlagen in Naturschutzgebieten erleichtert wird. Die Formulierung war bis zuletzt umstritten. Nun wird im Gesetz verankert, dass Schutz- und Nutzungsinteressen gleichrangig sind. Energieministerin Doris Leuthard betonte, das gelte im Allgemeinen, nicht im Einzelfall.
Wasserkraft-Subventionen
Das Parlament machte aber auch Konzessionen an den Naturschutz: Wasserkraftwerke mit einer Leistung von weniger als 1 Megawatt werden nicht mehr über das Einspeisesystem gefördert. Das Parlament kam zum Schluss, diese hätten im Verhältnis zum Eingriff in die Natur einen zu geringen Nutzen. Investitionsbeiträge für Erweiterungen oder Erneuerung sind allerdings für kleine und grosse Wasserkraftwerke vorgesehen.
0,2 Rappen aus dem Netzzuschlag sind für Subventionen an bestehende Grosswasserkraftwerke reserviert. Die Betreiber erhalten eine Prämie von maximal 1 Rappen pro Kilowattstunden für Strom, den sie unter den Gestehungskosten verkaufen müssen. Diese Massnahme hat das Parlament wegen der tiefen Strompreise eingebaut.
Gebäude sanieren
Neben der Förderung erneuerbarer Energien ist mehr Energieffizienz angesagt: Der Energieverbrauch pro Person und Jahr soll - gemessen am Stand des Jahres 2000 - bis 2035 um 43 Prozent sinken, der Stromverbrauch um 13 Prozent. Zentrales Instrument bleibt das Gebäudeprogramm, das mit der Energiestrategie gestärkt wird. Künftig dürften pro Jahr 450 Millionen Franken statt wie heute 300 Millionen Franken aus der CO2-Abgabe dafür eingesetzt werden.
Energetische Gebäudesanierungen sollen auch mit steuerlichen Anreizen stärker gefördert werden. Steuerabzüge können neu über insgesamt drei Steuerperioden verteilt werden. Zudem können bei Ersatzneubauten die Kosten für den Rückbau des alten Gebäudes abgezogen werden. Diese Massnahmen hatte der Bundesrat nicht vorgesehen.
Intelligente Steuersysteme
Auf Benzin gibt es weiterhin keine CO2-Abgabe. Damit umweltfreundlichere Autos eingeführt werden, gelten jedoch strengere Regeln für Autoimporteure. Neu werden auch für Lieferwagen und leichte Sattelschlepper Werte festgelegt.
Ferner kann der Bundesrat Vorgaben zur Einführung intelligenter Mess-, Steuer und Regelsysteme beim Endverbraucher machen. So kann er die Netzbetreiber dazu verpflichten, Smart Meter zu installieren. Verzichtet hat das Parlament auf die geplanten Anreize für Elektrizitätsunternehmen, das Stromsparen zu fördern.
Laut dem Bundesamt für Energie sind nach der parlamentarischen Beratung etwa 80 Prozent des ursprünglichen Pakets übrig geblieben. Offen ist, wie sich das Parlament zur zweiten Etappe stellen wird, dem Klima- und Energielenkungssystem. In der Vernehmlassung sind die Pläne auf heftige Kritik gestossen.
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