Kunst | Die deutsche Kunstmalerin Alexandra Weidmann arbeitet als «Artist in Residence» in der Simplonstadt
Bunt und ganz schön doppelbödig
BRIG-GLIS | «Oft scheint alles wunderbar zu sein – doch plötzlich kippt es ins Furchtbare», bemerkt Kunstmalerin Alexandra Weidmann. Was sie da übers Leben sagt, trifft auch auf ihre Bilder zu: Auf den ersten Blick wirken sie leichtfüssig und heiter, auf den zweiten kippen sie zuweilen ganz schnell in Sarkastische bis Böse.
Alexandra Weidmann lebt und arbeitet in Berlin und Brandenburg, hält sich oft auch im Ausland auf. Momentan weilt sie in Brig-Glis, als «Artist in Residence» und damit als Gast des Kunstvereins Oberwallis (KVO) und der Stadtgemeinde Brig-Glis. Im Atelier des Fernanda-von-Stockalper-Hauses ist sie täglich am Malen, seit gut einem Monat schon. Bevor sie Mitte Februar wieder in ihre Heimat zurückkehrt, wird sie der Öffentlichkeit zeigen, was sie hier erarbeitet haben wird.
«Die Menschen hier wirken entspannt»
«Das Wallis kannte ich bis anhin nicht», sagt sie bei unserem Treffen im Briger Atelier. Doch einige ihrer Gemälde hatten schon mal den Weg hierher gefunden: Vor zwei Jahren waren sie im Rahmen der Sommerausstellung im Schloss Leuk zu sehen. Sie hatte die Oberwalliser Künstlerin Helga Zumstein – sie organisiert diese Sommerausstellungen in Leuk-Stadt – kennengelernt, so wurde dies möglich.
Welch ersten Eindruck ihr das Wallis hinterliess? «Die Menschen hier wirken entspannt, sind freundlich», beginnt Alexandra Weidmann und fährt fort: «Ich treffe hier auf Afrikaner, auf Asiaten – es ist multikulti hier. Europa hat sich verändert, das lässt sich auch hier feststellen.»
«Abgeschnitten von der Welt ist man nirgendwo»
Worüber sie staunt: «Supermärkte können hier übers Wochenende Sachen draussen stehen lassen – undenkbar
in Berlin.» Und was ihr zu-dem auffiel – die Müllabfuhr, die in ihrer Heimat anders funktioniere als im Wallis. «Man sieht schon einige Unterschiede, wenn man sich über längere Zeit in einem fremden Ort aufhalten kann», bemerkt sie. Spielt es für Sie eine Rolle, wo sie arbeiten, Alexandra Weidmann? «Nein, eigentlich nicht», antwortet sie, «ich schleppe meine Themen immer mit.» Es passiere schon, dass man irgendetwas aufschnappe, das dann in die eigene Arbeit einfliesse, meint sie und findet: «Abgeschnitten von der Welt ist man ja heute nirgendwo mehr.»
Zwar gegenständlich, aber nicht realistisch
Leuchtend-bunt daher kommen die Bilder, die diese Künstlerin malt, die Farbgebung
lässt an Pop-Art denken. Ein starrer Bildaufbau mit Vorder- und Hintergrund interessiert die Künstlerin kaum – also bricht sie ihn auf. So lässt sich ihre Malerei als gegenständlich, aber nicht realistisch bezeichnen.
Diese Gemälde verbreiten – auf den ersten, flüchtigen Blick – eine überaus positive Grundstimmung, verbreiten teils unaufdringlichen Humor, wirken verschmitzt. Doch bei näherem Hinschauen entpuppt sich diese bunte Fröhlichkeit schnell einmal als Fassade, hinter der Nachdenklichkeit steckt, hinter der ab und zu schwarzer Humor zu lauern scheint.
«Der erste Eindruck soll heiter sein»
Manchmal lassen diese unschuldig wirkenden Bilder ihren Betrachter gar erschaudern. Was jenes ihrer neuen Gemälde tut, dem unübersehbar Ferdinand Hodlers «Der Holzfäller» Gevatter stand: Statt in Richtung Baumstamm richtet sich in Alexandra Weidmanns Bild die Axt gegen ein Kind, im Hintergrund beobachtet ein Schaf die Szene. «Trotz der manchmal düsteren Bildthemen soll der erste Eindruck heiter sein»: Dies hat Alexandra Weidmann einst über ihr künstlerisches Schaffen festgehalten. Ganz schön doppelbödig seien ihre Bilder, sage ich der Künstlerin. Sie stimmt dieser Einschätzung zu, wobei sie jedoch betont: «Mein Alltag ist jedoch ganz harmlos.»
«Dahinterzublicken ist, was ich versuche»
Was sie mit ihrer Kunst eigentlich will, warum sie malt? Eine schwierige Frage. «Ich wollte immer schon malen, konnte mich damals jedoch mit diesem Wunsch gegenüber meinen Eltern nicht durchsetzen und studierte Informatik. Doch die Umstände erlaubten es mir, später den Weg zur Kunst zu gehen», blickt Alexandra Weidmann zurück und findet: «Technik ist kreativer als alles andere.»
Warum? «Weil es hier stets um Lösungen geht. Man schaut sich ein Problem an, verharrt jedoch nicht beim Problem, sondern versucht mit verschiedenen Methoden, das Problem zu lösen, kombiniert dabei Methoden, sodass Neues entstehen kann.» Was denn Technik mit Kunst verbindet? Auf beiden Gebieten gehe es darum, abstrakte Ideen umzusetzen, findet unsere Gesprächspartnerin und meint: «In der Kunst kommt hinzu, dass man es aushalten muss, über dünnes Eis zu gehen.»
«Oft schauen wir nicht genau hin, reden vieles schön. Das verstellt in vielen Fällen den Blick», sagt Alexandra Weidmann gegen Schluss unseres Gesprächs. «Dahinterzublicken – dies ist, was ich versuche», fügt sie hinzu. Und welche Rolle spielen die Betrachterin und Betrachter? «Ob deine Bilder jemandem gefallen oder nicht – das darf dich nicht interessieren.»
Lothar Berchtold
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